Von Schimanski bis Murot50 Jahre „Tatort“: Diese Krimis haben sich ins Gedächtnis eingebrannt

Götz George alias Horst Schimanski im seinem ersten "Tatort: Duisburg-Ruhrort" (dr/spot)
Götz George alias Horst Schimanski im seinem ersten "Tatort: Duisburg-Ruhrort" (dr/spot)

WDR

SpotOn NewsSpotOn News | 01.12.2020, 13:20 Uhr

Schimanski, Borowski oder Murot. Seit 50 Jahren begeistern die "Tatort"-Kommissare die Deutschen und führen mit ihren Filmen zu lebhaften Diskussionen. Diese Folgen brannten sich ins kollektive Gedächtnis ein.

Seit nunmehr 50 Jahren begeistert die „Tatort“-Reihe nahezu jeden Sonntag die deutschen TV-Zuschauer. Bis heute scheiden sich die Geister aber auch an den unterschiedlichen Macharten der Krimis, was zu lebhaften Diskussionen in der Familie und am Arbeitsplatz führt. Der eine mag die klamaukigen Münster-Krimis, ein anderer die düstere Machart aus Kiel, wieder andere bevorzugen die skurrilen Filme aus Wiesbaden. Einige Filme brannten sich jedoch aus unterschiedlichen Gründen ins kollektive Gedächtnis. Eine Auswahl…

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„Borowski und der stille Gast“, Kiel, 2012

Lars Eidinger (44) gehört mittlerweile zur ausgewiesenen Extraklasse der deutschen Schauspielkunst. Das mag auch im Jahr 2012 schon der Wahrheit entsprochen haben, aber: Da Eidinger sich zuvor vor allem auf die Theater-Kunst spezialisierte, wurde einem breiten TV-Publikum dessen riesiges Talent erst während des Genusses von „Tatort: Borowski und der stille Gast“ so richtig bewusst.

Gott sei Dank entschieden sich die Macher damals für ein offenes Ende und so schlüpfte Eidinger 2015 noch einmal in die Rolle des psychopathischen Serienkillers Kai Korthals. Und die Geschichte ist bis heute nicht vollkommen auserzählt: Ein dritter Fall in dem Kommissar Borowski sich mit seinem Erzfeind auseinandersetzen muss, ist bereits im Kasten und soll im kommenden Jahr ausgestrahlt werden.

„Franziska“, Köln, 2014

2014 kam es in der „Tatort“-Geschichte zu einem Novum: Die Kölner Folge „Franziska“ wurde aufgrund von Jugendschutz-Richtlinien nicht um 20:15 Uhr ausgestrahlt, sondern erst um 22 Uhr. Aus WDR-Kreisen hieß es damals, dass es sich um einen besonderen Film mit einem Bedrohungspotential handele, das Kinder noch nicht verarbeiten könnten. Es war der lange angekündigte Abschied von Schauspielerin Tessa Mittelstaedt (46), die zuvor 14 Jahre lang die Assistentin von Ballauf und Schenk mimte.

Der Drehbuchautor Jürgen Werner hatte sich für dieses Ende der Figur ein ganz spezielles Szenario ausgedacht: Mittelstaedts Rolle Franziska Lüttgenjohann fand sich im Prinzip den kompletten Film über als Geisel eines Mörders (Hinnerk Schönemann, 46) in einem Besprechungszimmer einer Justizvollzugsanstalt wieder. Und im Gegensatz zu den allermeisten anderen Folgen der „Tatort“-Reihe ging diese Folge nicht gut aus: Der Straftäter tötet Franziska auf kaltblütige Art und Weise am Ende des Films, während ein SEK-Kommando den Raum erstürmen will und ihn nur wenige Sekunden zu spät ausschaltet.

„Reifezeugnis“, Kiel, 1977

Der „Tatort: Reifezeugnis“ zählt zweifelsohne zu den berühmtesten Folgen der Reihe und ist quasi die Mutter aller Skandal-„Tatort“-Folgen. Das liegt zum einen am Regisseur Wolfgang Petersen (79), der später bekanntlich ein gefragter Hollywood-Filmemacher geworden ist, zum anderen an der damals erst 15-jährigen Nastassja Kinski (59). Die Tochter der streitbaren Schauspiel-Legende Klaus Kinski (1926-1991) verkörpert dort eine Schülerin, die eine Liaison mit ihrem Lehrer eingeht.

Eine Liebes-Szene zwischen den beiden – in der auch viel nackte Haut gezeigt wird – sorgte für mächtig viel Aufregung im noch deutlich prüderen Deutschland der 1970er-Jahre. Als Kommissar war Klaus Schwarzkopf (1922-1991) in seiner Rolle des damaligen Kieler NDR-Ermittlers zu sehen. Mehr als 25 Millionen Deutsche sahen den Film bei der Erstausstrahlung am 27. März 1977. Bis heute zählt die Folge übrigens zu den am meisten wiederholten „Tatort“-Filmen.

„Im Schmerz geboren“, Wiesbaden, 2010

An den Filmen mit dem Wiesbadener LKA-Ermittler Felix Murot alias Ulrich Tukur (63) scheiden sich seit 2010 die Geister. Oft setzen die Macher auf skurrile, teils übernatürliche, übersinnliche Geschichten, die mit herkömmlichen „Tatort“-Produktionen nur wenig gemein haben. Von den Kritikern werden die Folgen jedoch oft gefeiert. So auch „Im Schmerz geboren“ aus dem Oktober 2014. Der Film ist bis heute der „Tatort“ mit den meisten Toten. Rund 50 Menschen sterben in den 90 Minuten.

Neben Tukur überzeugt vor allem die Episodenhauptrolle des Widersachers Richard Harloff, gespielt von Ulrich Matthes (61), der einstige Freund von Murot. Als ehemaliger Kollege setzte er sich jedoch vor vielen Jahren nach Südamerika ab und stieg dort zu einem mächtigen Drogenbaron auf. Jetzt ist er zurück in Deutschland und möchte aufgrund einer alten Dreiecksbeziehung Rache an Murot nehmen. Es folgt ein Gemetzel, das in der „Tatort“-Geschichte seines Gleichen sucht…

„Hardcore“, München, 2017

Gewalt, Pornos und Geld. Der Münchner „Tatort: Hardcore“ steigt in eine abgründige Welt der Pornoindustrie ein. Eine junge Frau wird tot in Studioräumen aufgefunden, wo sie nur wenige Stunden zuvor als einzige Frau mit 25 Männern eine Orgie aufnahm. Batic und Leitmayr suchen nach einer Person auf den verstörenden Aufnahmen, die keinen Teilnahmebogen ausfüllte und während der Handlungen eine auffällige Maske trug.

Vor allem die realistische Darstellung der Pornobranche stieß auf große Anerkennung bei vielen Kritikern. So hätten die Macher keine schmutzigen Details weggelassen, aber die Szene auch nicht überzeichnet und so verharmlost. Man bekommt ein zwar durchorganisiertes, aber eben auch extrem frauenverachtendes Bild eines Filmindustriezweigs serviert. Auch die Konsumenten solcher Filme kommen in „Hardcore“ nicht gerade gut weg. Der Film ist aber nichts für Zartbesaitete: Viele der Szenen sind hart an der Grenze des Erträglichen…

„Willkommen in Hamburg“, Hamburg, 2013

Am 7. März 2013 trat ein neuer Kommissar auf die „Tatort“-Bühne: Nick Tschiller, gespielt von Til Schweiger (56). Zwar ist es mittlerweile ein wenig ruhiger geworden um den Schweiger-„Tatort“, doch zu Beginn keimte eine echte Grundsatzdiskussion auf: Soll die „Tatort“-Reihe in der guten alten Tradition deutscher Krimis weiter seine Erfolgsgeschichte schreiben oder darf es auch mit ein bisschen mehr Action, ein bisschen amerikanischer zugehen?

„Willkommen in Hamburg“ markierte damals den Auftakt der Tschiller-Reihe, die bisher sechs Folgen inklusive eines Kinofilms hervorbrauchte. Schweiger sagte damals, er wolle keinen klassischen Ermittlungskrimi machen, 90 Prozent der „Tatorte“ würde so funktionieren. Schweiger: „Da werden dir fünf mögliche Täter präsentiert, du isst deine Chips und musst rätseln, wer es nun war. Das interessiert mich nicht.“ Mittlerweile rückten die Macher aber von der Action-Prämisse ab. Der sechste Tschiller-Teil „Tschill out“ war deutlich ruhiger und langsamer und markierte eine Art Neustart.

„Duisburg-Ruhrort“, Duisburg, 1981

Im Sommer 1981 veränderte ein Ermittler die komplette bisherige deutsche Krimi-Landschaft. Im „Tatort: Duisburg-Ruhrort“ hatte Götz George (1938-2016) alias Horst Schimanski seinen allerersten Auftritt. Und die Filme brachen mit allen Konventionen: Einen prügelnden, fluchenden, schmuddeligen, saufenden Kommissar, der mehr als Krimineller als Gesetzeshüter erscheint, hatten die Deutschen bis dato nicht gesehen. Und somit ätzte sich vor allem die erste Folge in das kollektive Gedächtnis aller „Tatort“-Fans.

Es folgten insgesamt 29 Filme innerhalb der „Tatort“-Reihe, zwei Kino-Adaptionen und 17 weitere Fernsehfilme als eigene Serie „Schimanski“. Zum letzten Mal schlüpfte George 2013 in der Folge „Loverboy“ in seine Paraderolle. In einer Umfrage aus dem Jahr 2008 wurde er mit 37 Prozent zum beliebtesten Ermittler aller Zeiten gekürt. 2016 verstarb George im Alter von 77 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit in Hamburg.

(dr/spot)