Porträt eines Ausnahmesportlers„Being Jan Ullrich“: Lance Armstrong zitterte vor dem Radsportstar

Jan Ullrich war einer der größten deutschen Radsportstars. 2007 gab er das Ende seiner Laufbahn als aktiver Radsportprofi bekannt. (ili/spot)
Jan Ullrich war einer der größten deutschen Radsportstars. 2007 gab er das Ende seiner Laufbahn als aktiver Radsportprofi bekannt. (ili/spot)

imago/photothek

SpotOn NewsSpotOn News | 25.06.2022, 17:31 Uhr

Eine Woche vor dem Start der Tour de France zeichnet die Doku-Serie "Being Jan Ullrich" das Leben des ehemaligen Radsportstars nach. "Er machte mir Angst", gibt sein US-amerikanischer Dauerrivale Lance Armstrong zu.

In einer Woche startet die nächste Tour de France am 1. Juli in Kopenhagen. Vor 25 Jahren siegte der gebürtige Rostocker Jan Ullrich (48) als erster und bisher einziger Deutscher bei dem bekanntesten und wohl bedeutendsten Straßenradrennen der Welt.

Die ARD blickt mit der fünfteiligen Doku-Serie „Being Jan Ullrich“ auf das Leben des ehemaligen Radstars zurück.

Aus Archivaufnahmen, Zeitzeugen-Interviews und Privatmaterial zeichnen die Autoren Uli Fritz (SR) und Ole Zeisler (NDR) ein beeindruckendes Porträt. Unter anderem reisten sie in die USA, um Ullrichs einstigen Dauerrivalen und jetzigen Freund Lance Armstrong (50) zu sprechen. „Er machte mir Angst, kein anderer. Dieser Mann ließ mich früh aufstehen. Er hat mein Leben verändert. Er hatte mehr Talent“, gibt der US-Amerikaner vor laufender Kamera zu.

Die berührende Geschichte über Jan Ullrichs Triumphe und tiefen Abstürze beginnt in Rostock. „Der sah aus wie ein abgezogenes Karnickel, nur Muskel und Haut“, erinnert sich sein erster Trainer Peter Sager an den kleinen Jungen, der später in der Kinder- und Jugendsportschule in Berlin-Hohenschönhausen trainierte und anschließend nach Hamburg zog.

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Der Tod seines Großvaters

Von Hamburg aus ging es zur Rad-WM der Amateure nach Oslo, Norwegen, bei der Jan Ullrich 1993 Weltmeister wurde. Den Titel widmete er seinem Großvater. „Er hat immer mitgefiebert und ist einer meiner größten Fans gewesen“, sagte der Sportler damals in einem TV-Interview. Der Großvater habe sich so gewünscht, ihn einmal nach einem Gewinn im Fernsehen zu sehen, erzählte er weiter, „und 14 Tage nachdem er gestorben ist, wurde ich Weltmeister in Oslo“.

„Sein Opa war sein Idol und wenn der Opa etliche Jahre jünger gewesen wäre und ihn weiter hätte begleiten können, wäre Jan Ullrich nicht so durchs Leben marschiert, wie er letztendlich leider dann marschiert ist. Sein Opa war alles“, erklärt Peter Becker, Ullrichs Trainer ab 1986, im Film.

Am Tag nach dem Sieg bei der Amateur-WM sahen Ullrich und seine Teamkollegen sich den Sieg von Lance Armstrong im Profi-Rennen an.

Alkohol und Gewalt in der Familie

Die erste Folge der Doku erzählt auch von den schwierigen Familienverhältnissen, denen der kleine Jan ausgesetzt war. So berichtet Jan-Ullrich-Biograf Hagen Boßdorf von Gewalt in der Familie: „Jan Ullrich kommt aus sehr einfachen Verhältnissen, der Vater spielte früh keine Rolle mehr. In der Familie spielte Gewalt eine Rolle, auch gegen die Mutter, was Jan mitbekommen hat“, sagt er in der Doku.

Trainer Becker erinnert sich ebenfalls daran und beschreibt die bedrückenden Verhältnisse so: „Jans Vater war ein körperlicher Riese. Der war damals Eisschnellläufer, von Beruf Maurer, aber natürlich auch ein Schluckspecht. Das hat mir Jan selber auch erzählt. Und er hat die Kinder geschlagen. Er hat auch seine Mutter geschlagen und er hat den Jan auch mal so geschlagen, dass er am Kopf eine Platzwunde kriegte – die [Narbe] hat Jan heute noch“, sagt er.

Körperlich sei Jan Ullrich „gesegnet“ gewesen, fasst Biograf Boßdorf zusammen: „Dieses Kraft-Masse-Verhältnis, was im Radsport das Entscheidende ist. Aber mental mit den Wurzeln aus der Familie war er nicht gesegnet.“ Von Ullrichs Körper und Talent habe auch Armstrong geschwärmt. „Wenn ich den Körper von Jan Ullrich hätte, gewinne ich zehnmal in Folge die Tour de France ohne jeden Zweifel“, soll er zu Bossdorf gesagt haben.

Ein Heimatgefühl in Merdingen

1994 zog Jan Ullrich zum ersten Mal nach Merdingen im Schwarzwald. Dort wohl er erst bei seinem Freund, dem ehemaligen Radprofi Dirk Baldinger, bis er auf einer Party seine spätere Freundin Gaby Weis kennenlernt. „Er war dann auch familiär dort verknüpft“ und habe wohl zum ersten Mal so eine richtige Verwurzelung für sich erlebt. „So eine Heimat, die er vielleicht vorher gar nicht so hatte“, sagt Boßdorf.

Auch Gabys Vater kommt in der Doku zu Wort. Weinbauer Ernst Weis erinnert sich: „Ich glaube, er hat sich nicht nur mit meiner Tochter, sondern auch mit dem Merdinger Rotwein angefreundet.“ Genau das stuft ein weiterer Ullrich-Biograf, Daniel Friebe, als rückblickend „möglicherweise gefährlich“ für Ullrich ein…

Die Doku-Serie „Being Jan Ullrich“ ist ab 25. Juni in der ARD-Mediathek zu sehen. Der gleichnamige Dokumentarfilm ist am 2. Juli nach dem Ende der 2. Etappe der diesjährigen Tour de France um circa 17:20 Uhr im Ersten zu sehen.