Ab dem 23. September im KinoOliver Masucci in „Schachnovelle“: Mit Schach in den Wahnsinn

"Schachnovelle" startet am 23. September in den deutschen Kinos. (ncz/spot)
"Schachnovelle" startet am 23. September in den deutschen Kinos. (ncz/spot)

Studiocanal/ Walker + Worm Film /Julia Terjung

SpotOn NewsSpotOn News | 22.09.2021, 12:30 Uhr

Am 23. September kommt mit "Schachnovelle" eine neue Verfilmung des Literaturklassikers von Stefan Zweig ins Kino. Regisseur Philipp Stölzl und Hauptdarsteller Oliver Masucci nehmen das Publikum mit auf eine Reise in den Wahnsinn.

„Schachnovelle“ (1942) ist das letzte Werk von Stefan Zweig, es zählt noch heute zu den klassischen Schullektüren. Regisseur Philipp Stölzl, der zuletzt mit dem Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“ im Kino vertreten war, hat sich an die Neuverfilmung des Prosatextes gewagt.

Sein Werk gilt als einer der Favoriten beim Deutschen Filmpreis 2021. Insgesamt wurde „Schachnovelle“ für sieben Lolas nominiert, darunter für den besten Spielfilm. 2022 soll er sogar zur deutschen Oscar-Hoffnung werden: Die Produzenten haben ihn zur Auswahl des deutschen Beitrags für die Academy Awards eingereicht. Nach coronabedingter Verschiebung startet der Film am 23. September 2021 nun endlich in den deutschen Kinos.

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Ein Schachbuch als einziger Zeitvertreib – darum geht’s

Wien, 1938: Die Nationalsozialisten marschieren in Österreich ein. Noch bevor der Notar Dr. Josef Bartok (Oliver Masucci) und seine Frau Anna (Birgit Minichmayr) fliehen können, wird er von der Gestapo verhaftet und in deren Wiener Leitstelle, das Luxushotel Métropole, gebracht. Bartok ist Vermögensverwalter des Adels und soll Gestapo-Leiter Franz-Josef Böhm (Albrecht Schuch) Zugang zu Konten geben. Weil der Jurist schweigt und nicht kooperiert, bekommt er von den Nazis eine „Sonderbehandlung“. Er wird in einem Zimmer isoliert und psychischer Folter ausgesetzt. In einem unbeobachteten Moment schafft er es, ein Buch zu stehlen, das sich als Anleitung für Schachpartien entpuppt.

Findet der elitäre Wiener Bartok zu Beginn noch, Schach sei nicht mehr als „eine Freizeitbeschäftigung für gelangweilte preußische Generäle“, wird das Spiel in der Isolation zum einzigen Zeitvertreib für ihn. Das Buch ist Fluch und Segen zugleich: Einerseits gibt es ihm Beschäftigung, andererseits beginnt sich bei Bartok durch die ständigen Spiele gegen sich selbst, dessen Persönlichkeit zu spalten.

Die „Schachnovelle“ bleibt ein Rätsel

Der österreichische Autor Stefan Zweig schrieb „Schachnovelle“ im Exil in Brasilien, einen Tag vor seinem Selbstmord 1942 brachte er den Text zur Post. In Deutschland erschien das Werk erst 1947, zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Zweig selbst bekam den Niedergang der Nazis nicht mehr mit. 1960 kam die erste Verfilmung mit Curd Jürgens und Mario Adorf in den Hauptrollen ins Kino. Als Regisseur Philipp Stölzl diesen Film zum ersten Mal sah, wäre er „nicht unbedingt darauf gekommen, eine Neuverfilmung zu machen“, wie er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät.

Erst als Drehbuchautor Eldar Grigorian ihm das Drehbuch vorlegte, habe er das „Potenzial für die Leinwand“ gesehen. „Das war ein wirklich spannender Zugang zu der Novelle, es hat mich überzeugt“, sagt Stölzl. Die Novelle hatte er als Jugendlicher in der Schule gelesen, damals kam sie ihm wie ein „kafkaeskes Rätsel“ vor. Das Rätselhafte wollte Philipp Stölzl auch in seiner Neuinterpretation darstellen. „Die Novelle behält ihr innerstes Geheimnis für sich“, erklärt der Regisseur. „Deswegen gibt es auch so viele unterschiedliche Deutungen.“

Beim Casting für die Hauptrolle fiel die Wahl auf Oliver Masucci, der zuletzt Rainer Werner Fassbinder in „Enfant Terrible“ verkörperte. „Oliver ist nicht nur ein Könner der feinen, präzisen Tonlagen, sondern auch ein Vollblutschauspieler, der in die extreme Düsternis und physische Entmenschlichung dieser Rolle hinabsteigt, mit dem Mut, Grenzen zu überschreiten“, sagt Stölzl. Obwohl der gebürtige Stuttgarter Masucci, Sohn eines Italieners und einer Deutschen, im Rheinland aufgewachsen ist, nimmt man ihm das Wienerische ab. Masucci hat schließlich mehrere Jahre am Wiener Burgtheater gespielt.

Fazit:

Im Gegensatz zur literarischen Vorlage und der Verfilmung von 1960, die beide die Geschehnisse eher distanziert von außen betrachten, lässt Philipp Stölzl den Zuschauer in den Kopf von Dr. Bartok blicken, der gefallene Jurist steht den ganzen Film lang im Mittelpunkt. Man hat zeitweise das Gefühl, in Bartoks Kopf zu sitzen, hört Schachzüge, Stimmen, Foltergeräusche und ist sich oft selbst nicht sicher, was Realität ist und was nicht.

Anders als bei Zweig betont Stölzl in „Schachnovelle“ den geistigen Zerfall des Protagonisten, der sich von einem überheblichen Lebemann in ein gebrochenes Etwas verwandelt. Oliver Masucci schafft es, Josef Bartok als ambivalente Figur darzustellen: Anfangs fast etwas unsympathisch wirkend, steigt der Zuschauer im Lauf des Films immer weiter in die Psyche Bartoks ein und leidet am Ende mit ihm. Das Schachspiel bewahrt den belesenen Juristen einerseits davor, wahnsinnig zu werden, andererseits treibt es ihn in den Wahnsinn. Beim Zuschauer löst das Beklemmung und Angstgefühle aus. Am Ende des Films bleibt Entsetzen über die eiskalten Gewaltmethoden der Nazis und ein wenig Verwirrung über das, was im Film eigentlich Realität, und was Wahnvorstellung, war.