Kult-SpaßbandThomas Spitzer: Wird es ein Comeback der EAV geben?

Thomas Spitzer war Ende der 1970er Jahre Gründungsmitglied der Ersten Allgemeinen Verunsicherung. (tae/spot)
Thomas Spitzer war Ende der 1970er Jahre Gründungsmitglied der Ersten Allgemeinen Verunsicherung. (tae/spot)

imago images/Viennareport

SpotOn NewsSpotOn News | 02.11.2021, 12:00 Uhr

Von der Bühne hat sich die EAV zwar verabschiedet, nun veröffentlicht die Kultband jedoch ein Weihnachtsalbum. Urgestein Thomas Spitzer verrät im Interview, ob es noch einmal ein Comeback geben wird und erinnert sich an die Anfänge zurück.

EAV-Legende Thomas Spitzer (68) hat sich im Corona-Jahr mit 42 Jahren Verspätung einen großen Wunsch erfüllt: Das lang geplante (Anti-)Weihnachtsalbum der österreichischen Band auf den Markt zu bringen. Das Werk mit dem Titel „EAVliche Weihnachten – Ihr Sünderlein Kommet“ erscheint am 5. November.

Die Erste Allgemeine Verunsicherung hat sich 2019 von der Bühne verabschiedet. Zur etwa gleichen Zeit wurde der 68-Jährige noch einmal Vater. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht der Texter und Komponist über die Anfänge der EAV und wovon sein Buch über die Band – sollte er jemals eines schreiben – handeln würde. Außerdem verrät er, ob es noch einmal ein Comeback der EAV geben wird, und schwärmt von seinen beiden Kindern.

Wie kam die Idee zu dem Weihnachtsalbum?

Thomas Spitzer: Im Jahr 1979 haben wir das erste Mal eine einmonatige Weihnachtsshow durch deutsche Lande absolviert. Das war noch in der Zeit vor Klaus Eberhartinger als Sänger. Seit dieser anarchischen Weihnachtsshow wollte ich das Programm immer schon auf eine Platte bringen. Aber es hat dann irgendwelche Banküberfälle und Fata Morganas und ähnliches dazwischen gegeben. Ich habe 2010 in Berlin in einem Kellerstudio damit begonnen, die Musik zu machen. Aber erst jetzt habe ich Corona-bedingt ein paar noch lebende EAV-Mitglieder als auch junge Musiker, die in Österreich Furore machen, dafür gewinnen können. Wenn auch 42 Jahre zu spät.

Wenn man einen Dickkopf hat und sich das im Jahr 1979 in den Kopf gesetzt hat, dann muss man es irgendwann, bevor man stirbt, fertig machen. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, speziell die beiden Wochen im Studio, als die über drei Generationen verteilten Männer dabei waren. Mit HORST habe ich ein Pendant zur Anfangs-EAV gefunden: Ich liebe die Gruppe, die sind wie die EAV am Anfang, völlig hemmungslos, ur-skurril und mit totaler Liebe. Die haben zum Beispiel gefragt: Kann man den Text nicht ein bisschen krasser formulieren?

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Wie muss man sich die Zeit Ende der 70er Jahre vorstellen?

Spitzer: In Österreich waren wir damals gar nicht so beliebt. Aber in Deutschland war die Clubszene für uns ein Eldorado. Wir konnten dort jeden Abend in einem anderen Club oder manchmal auch wochenlang in einem Club spielen. Nach dem ersten Programm brauchten wir dann eine neue Show – wir konnten ja nicht immer das gleiche Programm in den gleichen Clubs spielen. Innerhalb von zwei Wochen entstand unsere Weihnachtsshow. Speziell in Hamburg kam das zur Weihnachtszeit sehr gut an. Die gesamte Unterwelt, der gesamte Rotlichtbezirk war da. Die gehen ja nur selten zur Christmette oder zum Apfelstrudel von Frau Mama. Anarchistisches Liedgut ist da besonders gut angekommen. Wobei nicht alles politisch ganz korrekt war. Das muss ich dazu sagen.

Ich habe auch seit Jahrzehnten den Wunsch, ein Buch über die EAV zu schreiben. Das hört aber mit dem ersten Hit auf. Ab dem ersten Hit wird’s unspannend, das kann jeder Trottel googeln. Alle guten Geschichten sind davor geschrieben worden. Das wirklich Spannende ist, wenn jede Plattenfirma sagt: „Euch kann man nicht verkaufen. Ihr werdet nie im Leben eine Platte veröffentlichen.“ Ab dem Augenblick, als wir nicht mehr zu siebt auf dem Boden geschlafen haben und indischen Gemüsereis mit Nüssen und Rosinen gegessen haben, wird es uninteressant. Da ging es noch ums nackte Überleben. In den ersten fünf Jahren wurden uns 20 Mark pro Konzert ausgezahlt. Das hat genau gereicht für zwei Schachteln Zigaretten und ein Bier. Aufs Essen kann man verzichten.

In den Songs nehmen Sie Weihnachten auf die Schippe. Es geht unter anderem um Konsumgier. Mögen Sie Weihnachten nicht?

Spitzer: Ich würde keinem Kind die Freude an dem Fest nehmen. Für mich war Weihnachten auch immer etwas Besonderes. Es hat zu Hause ausnahmsweise keinen Exzess gegeben, meine Eltern haben sich vertragen. Bis zum 16. Lebensjahr, nachdem ich bereits durch alle Sümpfe von Drogen und Alkohol gewatet bin, wollte ich immer noch den Weihnachtsbaum erst sehen, wenn die Strohsterne und die Äpfel daran hingen. Aber darum geht es ja nicht. Schlimm ist nur, wenn der Mensch glaubt, seine Menschlichkeit für 24 Stunden entdecken zu müssen, und am nächsten Tag gehen die Kriege wieder los.

Mit Ihren Songtexten sind Sie immer mal wieder angeeckt. Darf man denn bestimmte Songs heutzutage überhaupt noch schreiben?

Spitzer: Das Prinzip der EAV war immer: Die denkende Minderheit darf sich über alle Facetten der Menschheit lustig machen, ohne zu verletzen. Den Glauben zu attackieren wäre zum Beispiel nicht korrekt. Humor ist ein gutes Transportmittel, auch für ernste Themen. So wie der Song „Burli“ über Tschernobyl. Die EAV hat es immer geschafft, da sehr wohl zu trennen. Bei manchen Sachen kann man sich aber auch gar nicht mehr lustig machen. Den Donald Trump kann ich nicht mehr karikieren: Egal, wie sehr man übertreibt, der ist in natura so. Das kann man nicht toppen. Manchmal ist die Realität schon so überzeichnet, dass man nichts mehr draufsetzen kann.

2019 hat sich die EAV mit der letzten Tour verabschiedet. Vermissen Sie die Band manchmal?

Spitzer: Absolut. Genau in dem Moment, als die Zeit mit der EAV vorbei war, habe ich begonnen sie zu vermissen. Wobei ich es in den letzten 15 Jahren immer so gehalten habe, dass ich die ersten 20 bis 30 Konzerte mit dem neuen Album gespielt habe und dann jemand übernommen hat. Das einzige, was mich nie so besonders erfreut hat, war zum fünftausendsten Mal „Märchenprinz“ oder „Heiße Nächte“ zu spielen. Speziell bei den Festivals war es ja meistens so, dass die EAV 40 Minuten das gespielt hat, was die Leute hören wollten. Aber bei einem neuen Programm mit neuem Bühnenbild und Kostümen war ich immer Feuer und Flamme. Unabhängig von der EAV habe ich ja auch immer für andere getextet oder Musik gemacht, die Band war solange aber trotzdem beschäftigt. Das war dann ein guter Kompromiss für beide.

Wird es denn noch mal ein Comeback in Form von Konzerten geben?

Spitzer: Ich weiß, es würde mörderisch funktionieren. Würden wir in fünf Jahren noch in der Lage sein, uns auf der Bühne zu bewegen, wäre das finanziell mörderisch gut. Aber ich glaube, da müssten der Klaus und ich unter der Brücke schlafen oder vom Fiskus dazu gezwungen werden. Wir haben ja abgeschlossen. Es ist auch etwas Schönes, mit Würde abzutreten. Ich glaube, es gibt noch genug anderes zu tun.

Was sind denn die beruflichen und privaten Pläne für die nächste Zeit?

Spitzer: Ich werde weiterhin für andere Texte und Lieder schreiben. Da habe ich noch einiges im Gepäck. Außerdem habe ich jetzt auch mehr Zeit fürs Zeichnen. Also fad wird mir nie. Alle Pläne werde ich in dem Leben nicht mehr schaffen. Und an ein nächstes glaube ich nicht, das eine reicht mir.

Sie sind ja auch sonst gut beschäftigt. Sie haben eine erwachsene Tochter und jetzt noch einen kleinen Sohn.

Spitzer: Das ist ja nicht so auf meinem Plan gestanden. Es ist einfach passiert. Dieser Knirps war bereits zehn Tage nach der Geburt gleich mit auf Tour das nächste halbe Jahr lang. Nach zwei Wochen war er schon in sechs Ländern. Er war gleich viele Leute gewohnt, jeden Tag ein anderes Hotel. Der kleine Mann ist allerdings in der Zwischenzeit zweieinhalb geworden. Wenn er mir davonrennt, komme ich nicht mehr hinterher. Die Lebenspläne werden sich dadurch ein bisschen verschieben müssen. Aber er ist mein absolutes Glück. Meine zwei Kinder sind das einzige, wofür es sich zu sterben lohnen würde. Sicher nicht die EAV oder irgendein Song. Wenn ich in die Augen meines Buben schaue, gibt es nichts Reineres. Das ändert sich vermutlich, wenn er dann in den Kindergarten kommt oder wenn ein anderer ein besseres Bike hat. Aber Angst muss man ja eigentlich erst kriegen, wenn er dann in die Pubertät kommt und wenn er nachher die gleichen Vorlieben hat wie der Papa.