FilmRowan Atkinson über alte Autos, Tanzeinlagen und seine Hassliebe

Mr. Bean: Rowan Atkinson wird 65
Mr. Bean: Rowan Atkinson wird 65

imago images / imaginechina

Paul VerhobenPaul Verhoben | 14.10.2018, 20:56 Uhr

Sein Gummigesicht machte ihm zum Millionär: Rowan Atkinson (63), der als TV-Tollpatsch Mr. Bean in die britische Geschichte einging, ist ab 18. Oktober in der super lustigen Spionage-Komödie „Johnny English – Man lebt nur drei Mal“ in den Kinos zu sehen. Es ist das dritte Mal, dass er den Charakter des trotteligen Agenten verkörpert – diesmal kämpft er gegen die digitale Welt.

Beim Interview in Hamburg übt Atkinson sich – ganz britisch – in vornehmem Understatement.

Mr. Atkinson, ab wann war Ihnen bewusst, dass Sie mit ihrem Gesicht reich und berühmt werden können?
Da gab es kein Schlüsselereignis. Das habe ich erst langsam kapiert, als es losging mit den ersten Erfolgen. Spätestens mit „Mr. Bean“ war die Sache dann klar.

Und trotzdem haben Sie sich von der Rolle für immer verabschiedet.
Ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich, dass wir einen weiteren „Mr. Bean“-Film machen. Aber wie sagte schon James Bond? Sag niemals nie!

Sie haben als Mr. Bean getanzt, Sie tanzen auch diesmal wieder als Johnny English. Ist das eine Leidenschaft von Ihnen?
Ich tanze gern vor der Kamera. Ich tanze vor allem gerne albern, um einen schnellen Lacher zu kassieren. Die Tanzszene in diesem Film ist extrem, aber ich finde, ich kann das auch mit 63 immer noch gut machen und bin fit genug dafür. Im Privatleben stehe ich mir beim Tanzen allerdings gerne selbst im Weg.

Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Es gab keinen Choreografen. Das bin alles ich, der sich zur Musik verliert. Ich hatte ein physisches Training bekommen, damit ich mich nicht selbst verletze. Ich neige dazu, es zu übertreiben, deshalb wollte man sicherstellen, dass ich mir nichts verdrehe, breche oder überdehne. Denn so war es beim letzten „Johnny English“-Film.

Was ist da passiert?
Ich hatte mir einen Muskelfaserriss zugezogen, kurz bevor wir nach Hong Kong abreisen sollten, um dort eine Sequenz zu drehen. Das hat die Produktion vor eine echte Herausforderung gestellt: Wir mussten alles um ein paar Tage verschieben, und es wurde teuer. Okay, wenn ich mich verletze ist es vielleicht nicht vergleichbar mit Tom Cruise, der sich den Knöchel bricht. Doch zum Glück blieb ich diesmal unversehrt.

Können Sie über die eigenen Filme lachen?
Es braucht Jahre, bis ich den Abstand habe, darüber zu lachen. Ich musste mir diesen Film zuletzt im August ansehen, als wir den Sound dafür abgemischt haben. Ich erwischte mich dabei, wie ich lächelte, ziemlich oft sogar, was bis zu diesem Zeitpunkt nie der Fall war. Ich blicke immer kalt, analytisch und ernsthaft auf meine Arbeit. Aber plötzlich hatte ich das Gefühl, dass ich mich entspannen kann, weil der Film tatsächlich funktioniert.

Das klingt echt anstrengend!
Absolut. Ich finde den Prozess, Filme zu machen, echt hart und stressig. Ich habe daran keinerlei Spaß, wenn ich ehrlich sein soll. Ich habe an keinen der Filme, die ich gemacht habe, irgendwelche glücklichen Erinnerungen. Ich mag es, das Drehbuch dafür zu schreiben und den Film nachzubearbeiten. Aber das eigentliche Drehen vor einer Kamera ist wirklich lästig, obwohl es mir im Prinzip leicht fällt, Johnny English oder auch Mr. Bean zu verkörpern, weil mir die Charaktere so vertraut sind.

Was verdirbt Ihnen den Spaß?
Ich habe permanent das Gefühl, dass ich es besser machen könnte. Es ist wohl der Perfektionist in mir, der mich ständig denken lässt: „Sicherlich kriegst du das auch witziger hin, oder?“ Unzufriedenheit ist mein ständiger Begleiter. Ich strecke nach etwas die Hand aus, aber ich bekomme es nie wirklich zu fassen. Das macht es so unangenehm.

Was war denn das Schönste an den Dreharbeiten?
Vermutlich alles, was ein Auto involviert. Die Szenen, die wir in den Bergen in Südfrankreich gedreht haben, an der Côte d’Azur, das war ziemlich nett. Wir hatten wunderschönes Wetter. Doch wie gesagt, egal wie schön die Location ist, bei mir bricht der Stress aus. Ich habe nie wirklich abschalten können und mich zurückgelehnt.

Warum wechseln Sie dann nicht ins Regiefach?
Das fände ich gleichermaßen stressig. Dann müsste ich mich mit Schauspielern rumschlagen, das ist das Problem! (lacht)

Sie wollten früher Elektroingenieur werden, haben in Oxford sogar bis zum Master of Science studiert. Johnny English ist im neuen Film allerdings ein Technologie-Verweigerer und bedient sich nur analoger Mittel. Sind Sie privat auch so drauf?
Ich habe durchaus ein digitales Bewusstsein. Aber ich stehe nun mal auf viel analoges Zeug – besonders bei Autos. Ich liebe es, einen Aston Martin aus den Siebzigern zu fahren – so wie den V8 im Film. Da hat man noch das Gefühl, dass man die Kontrolle über das Fahrzeug hat. Du bist der Boss, während du bei den moderneren Fahrzeugen eher das Gefühl hast, dass das Auto bestimmt, wo’s lang geht.

Inwiefern?
Du teilst dir quasi die Kontrolle, was mir nicht sehr gefällt. Dir wird befohlen, was zu tun ist: Du hast die Tür offen, du musst dich anschnallen, du musst zum Service fahren usw. Es sind die Geräusche und Töne, die moderne Autos von sich geben, die ich sehr irritierend finde. Aber ich habe zwei Elektro-Autos, insofern weiß ich auch ihre Zuverlässigkeit zu schätzen. Wenn man dann wieder in ein altes Fahrzeug steigt, ist es fast eine Erleichterung. Oder wenn ich eine alte Vinylplatte abspiele, dann denke ich oft: So ist es genau richtig! Insofern gefällt mir an dem Film, dass am Ende auf gewisse Weise die analoge Welt über die digitale siegt.

Haben Sie für den Film selbst hinterm Steuer gesessen?
Wenn ich durfte. Leider wird es so gehandhabt, dass du nur dann im Auto sitzt, wenn das Publikum dich erkennen kann. Sonst ist es für die Produktion günstiger, dich in der nächsten Szene einzusetzen.

Was ist neben Ihrem Autofimmel typisch Englisch an Ihnen?
Hm, ich bin sehr schnell peinlich berührt. Es ist auch sehr einfach, mich einzuschüchtern. Ich habe eine Schüchternheit und Selbstwahrnehmung, die ich wohl ein Leben lang mit mir rumtragen werde. Das halte ich für ziemlich englisch.

Sie sagten mal, dass es typisch britisch sei, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Könnte das der Grund für den Brexit sein?
Ja, damit ist es wohl ein bisschen so wie bei Johnny English – die Ambitionen sind größer als die Fertigkeiten. Ob daraus ein britisches Dilemma wird, wird sich erst noch zeigen. Ich hoffe nicht. In Großbritannien mögen wir Europa und die Europäer. Wenn wir uns in einem Monat wiedertreffen würden, hätten wir vielleicht eine komplett andere Diskussion. Denn die Sache bewegt sich so schnell voran und ändert sich täglich. Aber viel Glück für alle, die involviert sind.

Wie empfinden Sie den Konflikt zwischen politischer Korrektheit und Humor?
Als schwierig. Schwieriger als vor 40 Jahren. Denn immer mehr Leute haben das Gefühl, dass es ihr Grundrecht ist, nicht beleidigt zu werden. Das ist nun mal die Richtung, in die sich die Gesellschaft bewegt. Doch da ist auch ein Preis, der dafür zu zahlen ist. Ich predige das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber das ist bedeutungslos, wenn man Menschen nicht auch vor den Kopf stoßen darf. Shitstorms sind ja heutzutage an der Tagesordnung.

Sind Sie deshalb nicht in den sozialen Netzwerken unterwegs?
Social Media ist eine Herausforderung. Die Ironie ist, dass du dort alles sagen kannst, aber trotzdem vorsichtig sein musst. Vieles wird aufgebauscht und verzerrt wiedergegeben. Reputationen können in Windeseile zerstört und Karrieren ruiniert werden, nur wegen einer einzigen Aussage oder einem rüpelhaften Witz, den jemand vor 25 Jahren gemacht hat. Plötzlich holt denjenigen das dann ein. Es ist beachtlich, wie abstrafend Menschen geworden sind. Es ist eine harsche Welt geworden, wenn es um Kunst, Comedy und freien Ausdruck geht.

Dabei ist der Humor von Johnny English ja fast schon oldschool und so gar nicht dreckig, laut und unter der Gürtellinie.
Es reflektiert wohl meine Idee von Komik und Humor. Vielleicht ist es auch der Tatsache geschuldet, dass der letzte Film sieben Jahre her ist. Es hat sich nicht bewusst so entwickelt. Aber Johnny English spricht interessanterweise auch viele Kinder an.

Momentan wird viel diskutiert, wer der nächste James-Bond-Darsteller sein soll. Allen Frauen erteilte die Produzentin jüngst eine Absage. Wie finden Sie das?
Für mich könnte es durchaus eine Frau sein. Vielleicht könnte man sogar zwei Franchise nebeneinander laufen lassen: Jane und James Bond. Oder die Beiden könnten sich mit Jason Bourne und Johnny English zusammentun und neue Feindbilder kreieren. Ich persönlich habe weder einen Favoriten noch persönliche Ambitionen – auch wenn das ein schmeichelnder Gedanke wäre, endlich mal einen richtigen Agenten zu spielen.

Sie haben 1983 selbst mal im Bond-Film „Sag niemals nie“ mitgespielt.
Stimmt. Eigentlich basieren die Filme doch auf einem bizarren Konzept. Diese Roman-Figur, die man in den 1950ern als eine Art Kalter-Krieg-Spion kreiert hat, hat sich kaum verändert. Die Dekaden sind verstrichen und James Bond ist immer noch 40 – wie kann das angehen? In den Fünfzigern muss James Bond eine fantastische Überspitzung tatsächlicher Agenten gewesen sein. Aber das ganze Konzept wurde über so viele Dekaden gedehnt, dass es irrelevant ist. Ob es ein Mann, eine Frau, ein Farbiger oder was auch immer ist, ist egal. James Bond ist längst ein Fantasie-Produkt.

Interview: Katja Schwemmers