Experten-InterviewSüchtig nach PC, Handy und Co.? Tipps für einen bewussten Umgang

Viele bemerken gar nicht, wie viel Zeit sie in den sozialen Medien verbringen. (sob/spot)
Viele bemerken gar nicht, wie viel Zeit sie in den sozialen Medien verbringen. (sob/spot)

Dean Drobot/Shutterstock.com

SpotOn NewsSpotOn News | 18.10.2021, 19:00 Uhr

Das Smartphone und der PC sind feste Bestandteile des Lebens geworden. Dominieren sollten sie dieses jedoch nicht. So rutscht man nicht in die Abhängigkeit.

Nach dem Aufstehen checken, was es Neues bei Facebook und Instagram gibt und nach der Arbeit lieber ein paar Stunden zocken, anstatt sich mit Freunden zu treffen. Immer mehr Menschen sind sich überhaupt nicht bewusst, wie viel Zeit sie mittlerweile online verbringen. In seinem Buch „Du gehörst uns“ (Penguin Random House), erklärt der Psychologe Christian Montag unter anderem, wie viel Medienkonsum zu viel ist. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news, gibt er Tipps, wie wir uns Grenzen setzen können.

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Welchen Stellenwert haben das Internet und Soziale Medien in unserem Leben? Und: Welchen Stellenwert sollten sie eigentlich haben?

Christian Montag: Schon alleine an der Geschwindigkeit der Verbreitung des Internets zeigt sich, wie groß der Stellenwert von Online-Technologien in unserer digitalen Gesellschaft ist. Vor knapp 30 Jahren hat Tim Bernes-Lee die erste HTML-Webseite online gestellt. Facebook wurde 2004 gegründet und ist noch nicht mal volljährig. Das erste iPhone kam 2007 auf den Markt. Heute sind mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung online und wir zählen circa vier Milliarden Social-Media-Nutzer. Wenn diese Online-Technologien nicht auch sinnstiftend wären, hätten sie sich nicht so schnell durchsetzen können. Allerdings gilt es genauer hinzuschauen: Wenn Online-Technologien grundlegende Bedürfnisse wie nach Kommunikation, Austausch und Bindung erfüllen, ist das sicherlich sehr positiv zu bewerten. Wenn wir dagegen online zunehmend mehr Zeit verplempern, unter anderem auch weil Plattformen von ihrem Design her immer mehr unserer wertvollen Aufmerksamkeit in Beschlag nehmen, müssen wir meines Erachtens entschieden gegensteuern. Ethische Designprinzipien von Online-Plattformen werden zunehmend mehr ein bedeutsames Themenfeld.

In Ihrem Buch berichten Sie davon, dass wir die Verweildauer auf den Online-Plattformen unterschätzen. Sie selbst haben, ohne es zu merken, drei Stunden täglich am Handy verbracht haben. Welche Zeit sollte man pro Tag nicht überschreiten und wie schafft man es, diese einzuhalten?

Montag: Eine Grundregel dafür, wie viel Zeit man online oder auf dem Smartphone im Sinne einer gesunden Nutzung verbringen darf, kann ich nicht wissenschaftlich abgesichert vortragen. Es macht einen Unterschied, ob ich jeden Tag mehrere Online-Stunden für Recherche im Kontext meiner Arbeit aufbringe, mich online weiterbilde oder exzessiv einem Computerspiel nachgehe. Das heißt, zunächst müssen wir schauen, um welche Online-Tätigkeit es sich handelt. Und es gilt auch, dass die reine Dauer der Online-Sessions kein gutes Kriterium für eine problematische Smartphone- oder Online-Nutzung darstellt. Sinnvoll ist es, sich persönlich Zeitlimits zu setzen, die zu den Anforderungen im Alltag passen. Übrigens: Um den Zeitverzerrungen gewahr zu werden, kann man auch bei einigen Plattformen eine Art Wecker stellen. Der läuft im Hintergrund und meldet sich nach Ablaufen der gesetzten Zeit.

Woran merkt man, dass man „handysüchtig“ ist?

Montag: Zunächst: Der Begriff der Smartphone-Sucht ist hoch umstritten. Ein Alkoholiker ist schließlich auch nicht abhängig von der Flasche, sondern vom Inhalt. In unseren Studien zeigte sich, dass scheinbar viele Menschen beim Ausfüllen eines Fragebogens über die eigene problematische Smartphone-Nutzung an ihre Social-Media- oder Messenger-Nutzung denken. In diesem Fall würden wir dann eher über eine problematische Social-Media- oder Messenger-Nutzung sprechen und nicht so sehr über das Gerät Smartphone.

Trotzdem kann das Smartphone ein Gateway zu einer Übernutzung verschiedener Online-Inhalte sein. Das reicht von einer problematischen Nutzung von Social-Media-Angeboten bis hin zur Computerspielstörung. Letztere ist übrigens offiziell von der Weltgesundheitsbehörde anerkannt, was für die Social-Media-Nutzungsstörung noch nicht der Fall ist – und auch nicht für die problematische Smartphone-Nutzung.

Kriterien, an denen man Problemverhalten bei der eigenen Online-Nutzung festmachen könnte, sind der Kontrollverlust über die eigene Nutzung und dass die Nutzung von Online-Inhalten aufrechterhalten wird, obwohl es schon negative Konsequenzen im Alltag gegeben hat. Die Nutzung der Online-Inhalte steht so stark im Vordergrund, dass andere wichtige Dinge des Alltags kaum noch stattfinden. Um Alltagshandlungen nicht vorschnell zu pathologisieren, muss übrigens ebenfalls beobachtet werden, dass die eigene Online-Nutzung in deutlichen Beeinträchtigungen mündet. Geht aufgrund des Online-Verhaltens gar eine romantische Beziehung kaputt oder setzt jemand aufgrund des exzessiven Onlineverhaltens seinen Beruf aufs Spiel?

Wie schafft man es, so eine Sucht anzuerkennen und wie findet man aus ihr heraus?

Montag: Tatsächlich ist es für viele Betroffene nicht so leicht, mit der nötigen Objektivität über den eigenen Konsum zu reflektieren. Das hat auch damit zu tun, dass wir teilweise nicht mehr merken, wie viel Zeit wir online verbringen: Tech-Plattformen wurden über viele Jahre so entwickelt, dass sie möglichst immersiv wirken, also eine soghafte Wirkung entfalten. Wir verlieren auf diesen Plattformen unser Raum- und Zeitgefühl. Deswegen kann sich jeder Nutzer oder jede Nutzerin vor dem Hintergrund der genannten Symptome selbst die Frage stellen, ob er oder sie vielleicht eine Tendenz zu einer Übernutzung von Online-Inhalten zeigt. Von den oben genannten Kriterien erscheinen mir persönlich besonders die deutlich sichtbaren Beeinträchtigungen im Alltag aufgrund der eigenen Online-Nutzung als Warnsignal zu gelten. Beispielsweise wenn ein Jugendlicher oder eine Jugendliche den Ausbildungsplatz aufs Spiel setzt, weil er oder sie sich nicht mehr vom Computerspiel lösen kann. Hier gilt dann, sich Hilfe von Profis zu holen. Im Übrigen sollte eine Diagnose wie die Computerspielstörung oder Medienabhängigkeit von geschultem Personal wie psychologischen Psychotherapeuten gestellt werden.