Triumphale RückkehrNach den Comebacks von „Wetten, dass..?“ und „TV Total“: Warum wir im Retro-Fieber sind

Comeback unsere TV-Highlights! Warum wir im Retro-Fieber sind
Comeback unsere TV-Highlights! Warum wir im Retro-Fieber sind

Foto: IMAGO / HRSchulz

Redaktion KuTRedaktion KuT | 11.11.2021, 20:40 Uhr

„Wetten, dass..?“ und „TV Total“ surfen aktuell bereits die Retro-Welle. Und mit „Geh aufs Ganze!“ steht der nächste Klassiker schon in den Startlöchern. Keine Frage, die deutsche TV-Landschaft bringt uns gerade viele Erinnerungen an die gute alte Zeit zurück.

Retro is back! Neben den unzähligen Trash-Formaten der Neuzeit begeistern uns momentan wieder echte TV-Klassiker. Offensichtlich kommt der Trend zur rechten Zeit. Die Einschaltquoten von „Wetten, dass..?“ und „TV Total“ gingen durch die Decke. Irgendwie ein schönes Zeichen. Das Angebot an irgendwelchen lächerlichen Möchtegern-Promis in Sommerhäusern oder auf einsamen Inseln scheint für viele ausgereizt.

Außerdem blickt bei den ganzen Ablegern eh kaum ein Mensch mehr durch. Wir wollen unsere einstigen Helden aus früheren Tagen zurück. Thomas Gottschalk (71), Stefan Raab (55) oder Jörg Draeger (76). Denn Legenden wie die drei geben uns in einer unsicheren und oft beschissenen Corona-Zeit Halt und schenken uns Erinnerungen an vergangene unbeschwerte Tage.

Die Sehnsucht nach der alten Ordnung

Mitfiebern, lachen und abschalten. Am liebsten gemeinsam mit Familie oder Freunden. Mit Salzstangen zum Knabbern. Mit einem Gläschen Sekt für die Mama, einem Bier für Papa. So oder so ähnlich verbrachten wohl die meisten deutschen Haushalte in den 90er- und Nullerjahren einen gemütlichen Fernsehabend auf der Couch. Weil dafür Zeit war und wenn nicht, hat man sie sich genommen.

Jeder „Wetten, dass..?“-Abend war für viele Familien eines der Highlights. „TV Total“ war herrlich unkompliziert und versprach Entertainment. Und bei „Geh aufs Ganze!“ hoffte man einfach nur auf große Gewinne, jubelte und trauerte mit den Kandidaten- und Kandidatinnen mit. Wobei, im schlimmsten Fall gab es den „Zonk“ als Trospreis. Auch irgendwie Kult.

Selbstverständlich trugen die Moderatoren zu einem großen Teil zum Wohlfühlfaktor bei. Sie waren und sind, wie Gottschalk gerade gezeigt hat, heute noch authentisch und nicht austauschbar. Der Wiedererkennungswert ist noch immer unfassbar hoch. Weil sie aus einer Zeit kommen, in welcher der Markt einfach noch nicht so dicht war mit unzähligen Formaten. Im Gegensatz zur schnelllebigen Gegenwart.

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„Wetten, dass..?“ ist auch heute noch ein echtes Highlight

Foto: IMAGO / STAR-MEDIA

Video News

Show Revivals als Antwort auf Netflix und Co.

All diese Kindheits- und Jugenderinnerungen bieten Netflix, Amazon Prime und Co. nicht. Können sie auch nicht, klar. Beide Streamingriesen gibt es in Deutschland erst seit 2014. In der Hoch-Zeit von Gottschalk oder Stefan Raab war an Streamingdienste noch gar nicht zu denken. Raabs Reaktions-Videoschnipselchen von seinem Nippelboard geistern heute als Memes durch das Netz. Das Netz hat seine Idee eingeholt.

Ist die Wiederbelebung unserer Kultformate sozusagen die Antwort als letzter Strohhalm, diesen Giganten im Wettbewerb Herr zu werden?

Das wird wohl nicht gelingen, der Streaming-Hype ist zu groß. Und viele Serien sind je nach Geschmack einfach auch gut gemacht und sehenswert. Subjektiv natürlich. Aber warum soll nicht beides parallel nebeneinander funktionieren?

Fakt ist doch: Die klassischen Formate sind noch immer bekannt und wir lieben sie. Inzwischen sogar auch unsere Kinder. Und wenn wir sie nicht lieben, schauen wir trotzdem rein. Denn es gibt ja noch Hassliebe, die auch immer zieht. Natürlich sind unsere einstigen Helden inzwischen zum Teil in die Jahre gekommen. Aber verbindet uns das nicht auf gewisse Weise mit ihnen? Schließlich sind wir mit ihnen aufgewachsen.

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Sebastian Pufpaff hat die Moderation bei "TV total" übernommen

ProSieben/Willi Weber

Lineares TV bietet Überraschungen

Obwohl Streamingdienste mega angesagt sind, laufen die Retro-Shows im linearen TV. Und trotzdem schalten die Leute ein. Das ist auf den ersten Blick aus den genannten Gründen nicht überraschend. Streamingdienste liefern keine länderbezogenen Live-Shows  mit Stars aus der jeweiligen Region.

Bei genauerer Betrachtung fällt noch ein weiteres wichtiges Wort ins Gewicht.

Zwar erkennen Streaming-Algorithmen unsere Bedürfnisse und befeuern uns entsprechend mit Content am Fließband. Dabei geht aber ein wichtiges Element verloren. Und zwar der Überraschungseffekt. Es fehlt das Weiterzappen in der Werbung genauso wie das Hängenbleiben, weil der Inhalt auf einmal doch überraschen kann. Oder weil die Moderatoren spontan so entertainen, wie es nicht erwartet wurde.

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Stefan Raab war ein Paradebeispiel für kreative Ideen

imago/Hoffmann

Klaas Heufer-Umlauf (38) brachte den großen Vorteil des linearen Fernsehens zuletzt auf der Couch von „Wetten, dass..?“ auf den Punkt. „Wenn mal alle gucken, kann man sich überlegen ob man noch ’n bisschen mehr Quatsch redet und vielleicht noch was hinten dran hängt. Da gucken Leute zu, die damit nicht gerechnet haben, dass da was anderes kommt.“

Und das sei in einer Zeit, in der viele Zuschauer nur das sehen, was sie via Algorithmen mitbekommen sollen, das Erfolgsrezept des normalen, alten Fernsehens.

Denn geht das Sich-berieseln-lassen von angepassten Vorschlägen in Mediatheken ohne Alternative weiter, fordert uns nichts mehr. Dann setzt auch hier früher oder später Übersättigung ein und wir wünschen uns feste Programme zu einer fixen Uhrzeit zurück. Womit wir wieder bei unseren Retro-Klassikern angelangt wären. Somit haben am Ende des Tages beide Modelle ihre Berechtigung und Relevanz.

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Klaas Heufer-Umlauf brachte es bei „Wetten, dass..?“ auf den Punkt

Foto: IMAGO / STAR-MEDIA

Frühere Formate im Zwiespalt mit dem Ist-Zustand

Der Spagat liegt allerdings darin, das Nostalgische von früher in die moderne Zeit zu übertragen. Einige Gags und Konzepte von damals würden heute wohl nicht mehr zünden. Jeder Humor hat seine Zeit. Worüber wir früher gelacht haben, darüber lachen wir und spätere Generationen heute eben nicht mehr.

Die Gesellschaft hat sich verändert, Gottschalks Hand auf den Knien seiner weiblichen Gäste wäre heute im Zeotalter von #metoo nicht mehr denkbar und Corona tut sein Übriges dazu. Wir wollen alles „on demand“ und das am möglichst bequem und schnell. Auf Werbepausen und fixe Uhrzeiten wie früher hat die Generation von heute nur noch wenig Bock. Irgendwann kann Innovation aber auch zu viel werden.

Viele Zuschauer und Zuschauerinnen wollen den bekannten Wohlfühlfaktor von einst. Etwas, an dem sie sich festhalten können. „Die Sender knüpfen mit der Wiederholung erfolgsbewährter Showformate an etablierte Erlebnisdimensionen des Mediums an“, erklärt Medienforscherin Joan Bleicher gegenüber dem „Redationsnetzwerk Deutschland“. Bleibt zu hoffen, dass in Zukunft noch weitere Hits von früher auf diesen Zug mit aufspringen. Kandidaten gäbe es genug. Und einen Versuch wäre es allemal wert. (TP)