Sänger, Schauspieler und Produzent Adriano Celentano: 85. Geburtstag – so verlief seine Karriere!

Adriano Celentano bei einem Auftritt in Venedig. (ln/spot)
Adriano Celentano bei einem Auftritt in Venedig. (ln/spot)

imago/Granata Images

SpotOn NewsSpotOn News | 06.01.2023, 08:15 Uhr

Dieses Gesicht! Wenn er lacht und seine naturgesunden Zähne bleckt, sieht er unwiderstehlich aus wie die Schauspielerlegende Fernandel als Don Camillo.

Italiens berühmtestes Pferdegesicht haben sie ihn genannt. Und „Bild“ seufzte: „Mio dio, was für eine Visage!“

Das unverschämte Grinsen

Dieses unverschämte Grinsen hatte schon Federico Fellini (1920-1993) fasziniert, einen der größten Regisseure der Filmgeschichte. Er ließ den jungen Mann im Kultfilm „La Dolce Vita“ (1960) als Rocksänger auftreten. Da war Adriano Celentano 21 Jahre alt.

Ein noch weitgehend unbekannter Musiker, der mit seiner Band Rocky Boys durch die Vorstadtclubs von Mailand tingelte, das Publikum regelmäßig zur Raserei brachte und gerade die erste Schallplatte („Il tuo bacio è come un rock“) aufgenommen hatte. Heute ist er – zumindest in Deutschland – einer der bekanntesten Italiener und ein älterer Herr. Am 6. Januar feiert er seinen 85. Geburtstag.

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Große Karriere

Dazwischen liegt eine atemberaubende Karriere als Kinostar, Regisseur, Film– und TV-Produzent, Fernsehmoderator und Komponist. Und natürlich in erster Linie als Sänger, denn zu Celentanos unverwechselbaren Eigenschaften gehört auch diese Stimme, Marke schmachtendes Reibeisen. Mit ihr machte er seinen Hit „Una festa sui prati “ von 1967 zu einem internationalen Evergreen, den noch heute alle auf jeder Party ausgelassen mitsingen, ohne ein Fitzelchen Text außer der Songzeile zu kennen und zu verstehen.

Ein Jahr später stürmte er mit „Azzurro“ erneut die Charts. „Eine Klischeehymne über das private Glück, Blaumachen und Tagträumen unter azurblauem Himmel“ („Die Welt“), die nördlich der Alpen „zum Gassenhauer der italienverliebten Deutschen“ wurde und bis heute als Sehnsuchtslied vom süßen Leben und Nichtstun gilt.

Über 50 Alben hat der Sänger Adriano Celentano veröffentlicht, das letzte 2016 gemeinsam mit der Sängerin Mina (82); „Le migliori“ wurde Nummer eins und stand 56 Wochen in den italienischen Charts. Insgesamt hat Celentano 150 Millionen Tonträger verkauft.

Er sorgte für die Lacher

Sein komödiantisches Talent zeigte er in über 40 Filmen, auch als Produzent und Regisseur. Darunter waren große Erfolge wie „Yuppi Du“, „Bluff“ (mit Anthony Quinn), „Der gezähmte Widerspenstige“ und „Gib dem Affen Zucker“. Seine weibliche Partnerin war oft die Schauspielerin Ornella Muti (67). Es waren meist belanglose, bisweilen sogar grottenschlechte Filme, die von Adriano Celentanos Slapstickfähigkeit und seiner einzigartigen Physiognomie lebten.

„Man lächelte und verzieh“, schrieb der „Spiegel“. Dass keiner diese Filme ernst genommen habe, „lag am Jerry-Lewis-Handikap: Humor von der überdeutlichen Sorte, der notorische Grinsschädel aus dem Stammbaum Fernandels… Wer über Celentano lachte, lachte über seine aberwitzigen Grimassen, über seinen Mut zur Hässlichkeit und seine grandiose Unfähigkeit, etwas anderes als die altbekannten Hanswurst-Nummern abzuliefern.“

Immerhin haben ihm die Filme den Beinamen „Il Molleggiato“, der Gefederte, eingebracht, was sich auf seinen seltsam federnden Gang und schlaksigen Tanzstil bezog, der zu dieser eigenartigen Mischung von Lulatsch, Clown, Tollpatsch und Charmeur wie die Faust aufs Auge passte.

Alles nur Show?

Kann gut sein, dass das alles nur pure Show ist – und einer seiner wirklich großen Gaben das Talent zur Selbstironie: Weil er die Schule schon nach fünf Jahren verlassen musste und daher kein Englisch kann, hat er 1972 ein neues Amerikanisch erfunden und einen Song verfasst: „Prisencolinensinainciusol“. Über diese Aufnahme schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ): „Es ist Kauderwelsch. Fantasie-Sprache. Irgendwas, das für italienische Ohren wie amerikanisches Englisch klingt. Den Titel des Songs muss man von Celentano gesungen hören, damit man versteht, wie das Prinzip funktioniert. Geschrieben sieht er nur lang und sperrig aus, eher wie der lateinische Name eines Medikaments – aber wenn Celentano ihn singt, jede Silbe dehnt wie einen Kaugummi, mit kalifornisch gegurgeltem Rrrrr und alles sich breit im Rachenraum abspielend, klingt es echt amerikanisch.“

Nicht so amüsant fanden die Juroren des Sanremo-Festivals 1966 Adrianos Lied „Il ragazzo della Via Gluck“ („Der Junge aus der Gluckstraße“), ein Lied mit biografischem Hintergrund. Celentano wurde in Mailand in der Via Gluck Nr. 14 geboren, seine Eltern waren Zuwanderer aus Süditalien. Nach der kurzen Schulzeit machte er eine Uhrmacherlehre und schließlich nur noch Musik.

Die Via Gluck, benannt nach dem deutschen Opernkomponisten Christoph W. Gluck, war in seiner Kindheit ein kleines Biotop mit Handwerkerhäuschen und viel Grün, die Kinder konnten noch auf den Wiesen hinter den Gebäuden spielen. Als Celentano die Via Gluck als Erwachsener wiedersieht, ist er entsetzt, kein Grün mehr, nur noch Beton und Teer. Seine Straße ist nun eine der hässlichsten in Mailand. Darauf schreibt er „Il ragazzo della Via Gluck“, mit dem er beim Musikfestival von Sanremo auftritt.

Die Juroren verwerfen das Lied, zu wenig Liebe, zu viel Kritik an Umwelt- und Bausünden. Dennoch wird Italiens erster Umwelt-Song ein großer Erfolg, der sich wochenlang in der italienischen Hitparade hält und den die Fans bis heute inbrünstig mitsingen. Einige Medien kommen auf die Idee, die Via Gluck unter Denkmalschutz zu stellen. Adriano Celentano findet das lächerlich, das hätte man viel früher tun müssen, besser noch, man hätte ganz Italien in den 60er-Jahren unter Denkmalschutz gestellt. Dafür haben die Italiener ihn unter Denkmalschutz gestellt.

Dafür setzt sich der Star ein

Er mischt sich immer noch gern ein, auf seine Art, mit seinem Humor, manchmal mit einem gewissen Sendungsbewusstsein, das an Predigten erinnern kann. Richtig explosiv wird es, wenn Adriano Celentano Nonsens mit Politik verbrämt. In seinen äußerst erfolgreichen TV-Shows „Fantastico 8“ und „Rockpolitik“ redet der Inter-Mailand-Fan viel über Themen wie Umwelt, Tierschutz oder große Politik. Er setzte sich für die gleichgeschlechtliche Ehe ein, wettert gegen Umweltzerstörung, Atomkraft und Kirchenhierarchie.

Er sagt live im Fernsehen, er sei für den Frieden, „wenn Sie auch für den Frieden sind, dann drehen Sie jetzt für fünf Minuten die Apparate ab“. Dem folgen über zehn Millionen Italiener. Für sie ist er der Mann aus dem Volk, der – so die SZ – „ohne mit der Wimper zu zucken die albernsten Klischees erfüllt und Berlusconi zum Toben bringt“, indem er den populistischen Politiker zu seiner Zeit als Ministerpräsident im TV – mit einer Einschaltquote von annähernd 50 Prozent – einen „unfähigen Lügner“ nennt, der die Meinungs- und Pressefreiheit gefährde. Es folgen wütende Proteste der Regierung. Die perlen an Adriano Celentano ab.

Seit fast 60 Jahren verheiratet

Mittlerweile lässt er es ein wenig ruhiger angehen. Er ist auf seine alten Tage Vegetarier geworden und lebt in einer Villa am Comer See. Mit seiner Frau, der Schauspielerin, Sängerin und Produzentin Claudia Mori (78), mit der er seit 58 Jahren verheiratet ist.

In jüngster Zeit ist in Italien ein Adriano-Hit von 1976 wieder häufiger zu hören. „Das Benzin wird immer teurer, im Staat ist ein Loch, und ein Kaffee kostet einen Monatslohn“, singt er. Das Lied heißt „Svalutation“, eine Celentano-typische Anglisierung des Wortes „Svalutazione“. Es geht um Abwertung, auch Inflation genannt. Und wieder mal zeigt der alte Adriano Celentano, wie aktuell er immer noch ist.