Alexander Skarsgård an der Leine„Infinity Pool“: Eine blutige Abrechnung mit dem Pauschaltourismus!

Alexander Skarsgård erlebt schwere Zeiten in "Infinity Pool". (stk/spot)
Alexander Skarsgård erlebt schwere Zeiten in "Infinity Pool". (stk/spot)

Universal Pictures

SpotOn NewsSpotOn News | 20.04.2023, 19:15 Uhr

Nach "Infinity Pool" von Brandon Cronenberg und mit Alexander Skarsgård storniert manch ein Zuschauer vielleicht seinen nächsten Pauschalurlaub.

Wo Cronenberg draufsteht, ist auch Cronenberg drin. Selbst, wenn es sich beim Regisseur gar nicht um „Mister Body Horror“ David Cronenberg (80) handelt, sondern um seinen Spross Brandon (43).

Mit raffinierte Kritik an der Tourismusbranche

In dessen neuen Film „Infinity Pool“ nimmt er nicht nur einen nackten Alexander Skarsgård (46) an die Leine und zitiert neben Streifen seines Vaters auch zahlreiche andere (Meister-)Werke. Unter der Oberfläche aus Gewalt, Exzess und Sex packte er zudem eine raffinierte Kritik an der Tourismusbranche.

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Nach uns die Sintflut – darum geht es

Der erfolglose Schriftsteller James (Skarsgård) und seine wohlhabende Frau Em (Cleopatra Coleman, 35) versuchen in einem luxuriösen Resort auf der fiktiven Insel La Tolqa ihre kriselnde Ehe wieder auf Vordermann zu bringen. In der wie eine geschlossene Wohnanlage abgrenzten Einrichtung wird den verwöhnten All-inclusive-Urlaubern jeder Wunsch von den Lippen abgelesen.

Auge um Auge, Zahn um Zahn

Eine vermeintlich zufällige Begegnung sorgt dafür, dass sich das Leben der beiden grundlegend verändert: Die junge Frau Gabi (Mia Goth, 29) outet sich als gigantischer Fan von James‘ bislang einzigem Roman und lädt ihn und Em dazu ein, gemeinsam mit ihrem Mann Alban (Jalil Lespert, 46) eine für Touristen verbotene Spritztour außerhalb des Geländes zu unternehmen.

Diese Aussicht auf ein wenig Abenteuer reizt vor allem James. Doch als er sich nach dem durchzechten Abend auf dem Weg zurück hinter das Steuer setzt und betrunken einen der Inselbewohner totfährt, wird er mit einer unfassbaren Realität konfrontiert: Auf La Tolqa gilt das Gesetz Auge um Auge, Zahn um Zahn. Zumindest, wenn man nicht das nötige Kleingeld in der Tasche hat.

Gesellschaftskritik trifft Science-Fiction

Auf der futuristischen Insel besteht die Möglichkeit, für teuer Geld einen perfekten Klon seiner selbst zu erschaffen, der für die eigenen Taten den Kopf hinhalten muss – Ablasshandel per (geklontem) Menschenopfer, so zu sagen. Was nun wie der eigentliche Twist des Films klingt, ist eigentlich nur der Aufhänger für eine fast zweistündige Tour de Force, in der Cronenberg mit einer Mischung aus Pornografie, Gewaltexzess und Dekadenz ein interessantes Gedankenspiel anstellt.

Was, wenn selbst die schlimmsten Gräueltaten keine Konsequenzen nach sich ziehen

Was, wenn selbst die schlimmsten Gräueltaten für einen selbst keine Konsequenzen nach sich ziehen, so lange man nur genug Geld auf dem Bankkonto hat? Der Regisseur überspitzt damit eine sehr reale Misere, mit der sich zahlreiche Tourismusgebiete in speziell ärmeren Ländern herumschlagen müssen: Urlauber, die sich im Streben nach einer guten Zeit und auf Kosten der eigentlichen Bewohner wie die Axt im Walde aufführen – schließlich hat man dafür ja bezahlt. Zugleich werden damit einhergehend die nicht unüblichen Machenschaften korrupter Behörden überzeichnet dargestellt: Wer genügend Schmiergeld zahlt, kann im Regime von „Infinity Pool“ sogar dem Henker (mehrmals) vom Schafott springen.

Musterbeispiel des Hedonismus

Cronenberg inszeniert diese Gedanken als Musterbeispiel des Hedonismus. Herausgekommen ist eine schwer zu ertragende, aber gerade deshalb sehenswerte Abrechnung mit dem Pauschaltourismus. „Infinity Pool“ ist eine Melange aus zahlreichen mitunter kontroversen Werken. Marco Ferreris (1928-1997) „Das große Fressen“ trifft hier auf Stanley Kubricks (1928-1999) „Uhrwerk Orange“, auf Michael Hanekes (81) „Funny Games“ – der obligatorische Body Horror aus dem Hause Cronenberg inklusive.

Dennoch bringt Brandon Cronenberg reichlich eigene Einfälle mit, die einem gekonnt in die Magengrube zu boxen wissen. Überhaupt legt er zunehmend eine filmische Chuzpe an den Tag, die seinem weltberühmten Vater zuletzt abhanden gekommen war. Dessen „Crimes of the Future“ (2002) fühlte sich im Gegensatz zu „Infinity Pool“ in der Tat wie ein familieninternes Best-of an.

Spaß am Kontrollverlust

Skarsgård hatte sichtlich Freude an dem rabenschwarzen Treiben. Nach dem Kinobesuch wundern sich Zuschauerinnen und Zuschauer jedenfalls nicht mehr, dass er zur „Infinity Pool“-Premiere auf dem Sundance Film Festival Ende Januar eine Hundeleine um den Hals erschien – im Gegensatz zum Film war es jedoch nicht das einzige Kleidungsstück, das er anhatte.

Mia Goth sticht heraus

Auf positiv negative Weise sticht im Film Mia Goth heraus. Zunächst als mysteriöse Femme Fatale eingeführt, mausert sie sich im Verlauf der Handlung zum hassenswertesten Babyface der jüngeren Filmgeschichte. In einer kleineren Rolle ist außerdem der deutsche Darsteller Thomas Kretschmann (60) zu sehen. Er spielt den korrupten Polizisten, durch den der zunehmend eskalierende Höllentrip überhaupt erst möglich wird.

Fazit:

Wie schon in seinem Film „Antiviral“, in dem Brandon Cronenberg den Kult um Film- und Musikstars pervertierte, nimmt er sich nun auf abstrakte Weise einer anderen sehr weltlichen Problematik an. Die Sci-Fi-Prämisse und erst recht der schonungslose Horror in „Infinity Pool“, mit dem der Filmemacher den Finger zuweilen wortwörtlich in die Wunde legt, mögen schwer zu schlucken sein. Aber das sind bittere Pillen immer.