Unfaires UrteilEnissa Amani: Wie gefährlich kann der Knast für sie werden?

Enissa Amani: Wie gefährlich kann der Knast für sie werden?
Enissa Amani: Wie gefährlich kann der Knast für sie werden?

Foto: IMAGO/ Stephan Wallocha

Redaktion KuTRedaktion KuT | 17.11.2021, 22:45 Uhr

Die Künstlerin Enissa Amani legte sich mit dem AfDler Andreas Winhart an. Nun soll sie wegen Beleidigung ins Gefängnis, während er trotz Hetze davonkommt.

Deutschland, armes Vaterland, möchte man rufen. Da hat eine Künstlerin mit Migrationshintergrund den Mumm, sich gegen rechte Gesinnungen zu stellen, und wird dafür zu einer Geldstrafe verurteilt. Da ist ein Mann, der sich als Politiker ausgibt, und offen gegen Albaner, Kosovaren und Menschen mit dunkler Hautfarbe hetzt, und freigesprochen wird.

Hinter deutschen Gittern

Enissa Amani ist diese Künstlerin, die bereit ist, für ihre Überzeugung sogar für 40 Tage in Haft zu gehen, weil sie nicht einsieht, eine Strafe zu zahlen, während ihr „Gegner“ straffrei bleibt. Doch in den Gefängnissen tummeln sich etliche Anhänger der rechten Szene. Es heißt, sie nutzen ihre Haftstrafen, um sich und andere zu radikalisieren. Wie wird es also jemanden dort ergehen, der sich offen gegen sie stellt?

Angefangen hat Amanis Kampf gegen den AfD-Politiker Andreas Winhart vor mehr als zwei Jahren. Damals hat Winhart den Landtags-Wahlkampf in Bayern mit Fremdenhass betrieben. „Ich möchte wissen, wenn mich in der Nachbarschaft ein Person of Color anküsst oder anhustet: Ist der krank oder ist der nicht krank? Das müssen wir sicherstellen.“ Natürlich hat Winhart nicht die pc-Bezeichnung genutzt, sondern das N-Wort.

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Wahlkampf mit Angstmache

Wenige Atemzüge später, schürte er Angst gegenüber den Albanern und Kosovaren, die als Altenpfleger in Deutschland arbeiten: „Wer von Ihnen eine Albaner-Gruppe, nennen wir es mal so, bei sich zu Hause pflegend haben will und Ihnen die Bude ausräumt, der wählt CDU.“ Dabei setzt er pflegend in Gänsefüßchen, vergisst die Grammatik im Satz und kommt zu dem Schluss: „wer das nicht will, der wählt die AfD…“

Enissa Amani kommentiert offen, dass sie Winhart für einen „Bastard“ und „Idioten“ halte. Im März 2019 postet sie Ausschnitte der Rede und fragt „Warum schmeisst die angeblich „nicht rechtsradikale“ AFD diesen Mann nicht raus?!?! Warum hat das Verfasssungsgericht gesagt „der Tatbestand der Volkshetze“ sei NICHT gegeben!! Wenn das nicht VOLKSHETZE ist was dann !?!?!?!“ Antworten darauf gibt es nicht.

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Wegen Beleidigung angezeigt

Stattdessen wird Andreas Winharts Gegenanzeige der Beleidigung sehr ernst genommen und Enissa Amani zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt. Zahlen will sie die nicht, obwohl sie findet, dass es vollkommen gerechtfertigt ist, für eine Beleidigung bestraft zu werden. Ihr Nicht-Zahlen ist der Protest dagegen, dass nicht gleiches Recht für alle gilt. Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat wohl nicht einmal einen Anfangsverdacht im Fall Winharts gesehen.

Winhart ist nicht der erste AfDler, der wegen Volksverhetzung angezeigt wird, doch in diesem Fall sah die Staatsanwaltschaft laut dem Magazin VICE in Winharts Rede eine gesundheitspolitische Forderung, da er sich „für sorgfältige medizinische Untersuchungen der afrikanischen Geflüchteten mit dunkler Hautfarbe gerade im Hinblick auf solche Krankheiten ausspricht, die möglicherweise im jeweiligen Herkunftsland gehäuft auftreten“.

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Alles eine Sache der Auslegung

Die Verwendung des N-Worts ist hierzulande nicht strafbar. Und auch die Begrifflichkeit „Bude ausräumen“ kommt nicht der Unterstellung gleich, Albaner und Kosovaren seien grundsätzlich Diebe. Provokationen gehören zum Wahlkampf. Das sieht Enissa Amani anders und damit steht sie nicht allein. Abgesehen von denen, die sich angesprochen und beleidigt fühlen, stehen ihr Prominente wie Stefanie Giesinger, Kai Schumann, Visa Vie, Toyah Diebel und Nicht-Promis bei.

Amani hadert über 17 Minuten öffentlich mit ihrer Entscheidung, ob sie für ihre Überzeugung ins Gefängnis gehen soll oder nicht. Weil sie nicht zahlt, steht nun ein Haftbefehl aus. Die Fan-Gemeinde ist gespalten und es gibt zu viele Pros und Contras. In jedem Fall wird ein Aufenthalt hinter deutschen Gittern kein Zuckerschlecken. Es gibt keine Promi-Zellen und jede Menge Leute, die ihr dort ans Leder wollen.

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Mögliches Karriere-Ende

Die Künstlerin, die als Comedian gerade sogar international Karriere macht und Ende November in London auftreten soll, ist bereit, das alles aufs Spiel zu setzen. Dabei hat sich Amani in den letzten neun Jahren vom Stand-Up-Comedy-Talent zu einer meinungsstarken Künstlerin entwickelt, die für das Youtube-Diskussions-Format „Die beste Instanz“ mit dem Grimme-Preis belohnt wurde.

Doch gerade weil Enissa Amani nun eine große Nummer werden kann, sollte sie die Haft nicht antreten. Im Kampf gegen Rechts braucht es laute Stimmen. Ihre könnte nach den 40 Tagen im Knast leiser werden – vielleicht auch, weil die rechte Szene nicht mit fairen Mitteln kämpft und so gut vernetzt ist, dass man nicht weiß, wozu sie fähig sind.