LegendenFrank Zander über sein großes Jubiläum, Gruselrock und Zickenpop

Frank Zander über sein großes Jubiläum, Gruselrock und Zickenpop
Frank Zander über sein großes Jubiläum, Gruselrock und Zickenpop

Zett Records

Paul VerhobenPaul Verhoben | 19.12.2019, 13:47 Uhr

Frank Zander (77) ist das, was man einen alten Showhasen nennt! Seit über 50 Jahren steht das Berliner Original auf der Bühne, gilt bis heute als erfolgreichster deutscher Comedy-Sänger aller Zeiten – dabei ist er eigentlich gelernter Grafiker und Maler. Zander moderierte die „Plattenküche“ mit Helga Feddersen, die Musikshow „Bananas“ und hatte mit „Ja, wenn wir alle Englein wären“ (Der Ententanz) von 1981 seinen größten Hit. Sein raues Gesangsorgan verdankt er einer nicht auskurierten Mandelentzündung.

Aber der Berliner Musiker hat auch das Herz am richtigen Fleck: Jedes Jahr zu Weihnachten veranstaltet er sein traditionelles Gänsebratenessen für Bedürftige in Berlin mit Unterstützung von Promi-Freunden – so auch diesen Freitag (20. Dezember). Zum Interview in den Räumen seines Plattenlabels in Berlin-Wilmersdorf werden Kekse serviert, und auch sonst geht es sehr familiär zu, während das „Urgestein“ klatsch-tratsch.de-Starreporterin Katja Schwemmers von seinem Wohltätigkeitsfest, Weihnachten, dem neuen Album und seinen schweren Jahren erzählt.

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Herr Zander, die Wände hängen hier voller Goldener Schallplatten. Ist das ein besonderer Ort für Sie?
In diesen Räumen, in der Wittelsbacherstr. 18, wo früher die Plattenfirma „Hansa“ untergebracht war, sind die großen Hits entstanden – von Gunter Gabriel über Roland Kaiser bis Boney M. – das ist schon beachtlich. Der erste Titel, den Gunter und ich zusammen geschrieben haben, war der „Nick-Nack-Man“, danach kam „Ich trink auf dein Wohl, Marie“. Gunter hat dann irgendwann eine eigene Musikkarriere gestartet, und ich habe alles Mögliche gemacht: die Hamster-Lieder, „Alles Gute zum Geburtstag, „Der Ententanz“ – ein Hit folgte auf den anderen. Damals ging irgendwie alles.

In den Achtzigern waren Sie überall präsent.
Ja, das war eine bunte, verrückte Zeit! Sendungen wie „Bananas“ oder „Plattenküche“ hatten 25 Millionen Zuschauer! Das war noch eine ganz andere Nummer als heute, wo sich der Fernsehmarkt in Tausend Splitter teilt. Man muss viel mehr arbeiten, um wahrgenommen zu werden. Und wenn du nicht bei einer großen Plattenfirma bist, findest du im Fernsehen gar nicht mehr statt.

Wie erklären Sie sich, dass Sie bis heute nicht vergessen sind?
Unsere Obdachlosenfeier in Berlin trägt mich durch die Jahre. Ich habe so viele Sendungen hinter mir, jede Menge Kokolores und Verrücktes – aber das bleibt. Und dadurch wissen die Leute: Der ist noch da. Denn heute muss man einiges anstellen, um in die Zeitungen zu kommen. Ich möchte aber nun mal keine Dinge machen, die mir unangenehm sind.

Auch deshalb haben Sie Ihr neues Album „Urgestein“ genannt?
Man ist eins, oder man ist es nicht! In diesem Falle ist das Urgestein wirklich aus Stein gemeißelt. Denn es gibt die Traditionen, durch die ich mir den Titel verdient habe: 25 Jahre gibt es das Weihnachtsessen für Obdachlose jetzt schon. Meine Hymne für den Fußballverein Hertha BSC ist 26 Jahre alt. Da habe ich auch drum gekämpft, dass die bleibt, wo sie ist – nämlich im Stadion in Berlin. Traditionen sollte man nicht verleugnen. Weihnachten will ja auch keiner auf dem 21. feiern, nur weil die Kaufhäuser das so wollen.

Viele Texte auf Ihrer Platte sind Mutmacher-Texte, wie zum Beispiel der Titel „Kopf oben“. Die Reichen werden immer reicher, monieren Sie zudem auf Ihrem neuen Album.
Da kommt mein starker Gerechtigkeitssinn durch, der sich nicht zuletzt durch meine Arbeit mit Obdachlosen geschärft hat. Ich sehe einige, die wissen nicht mehr wohin mit der Kohle. Und andere brechen weg. Es sind also Stücke für die weniger Privilegierten der Gesellschaft; für die Leute, die zu unserem Weihnachtsfest kommen. Mir war das immer wichtig: Wenn es mir gut geht, muss ich etwas abgeben. Und das Schöne ist: Ich bekomme sehr viel Zuneigung zurück und werde immer geduzt von allen. Für die bin ich der Frankie.

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Auch in diesem Jahr werden Sie mit Ihrer Familie, Freunden, Sponsoren und Helfern das Weihnachtsessen für Obdachlose und Bedürftige in Berlin veranstalten. Wie kamen Sie seinerzeit auf die Idee?
Schon vor 1995 war es mein Weihnachtsritual, Sachspenden für Obdachlose am Bahnhof Zoo abzugeben. Irgendwann kam meine Plattenfirma auf die Idee, ein Album rauszubringen und arme Menschen zur Veröffentlichung-Party einzuladen. Bruce Springsteen hatte das in New York vorgemacht. Letztendlich haben wir nur das Fest gefeiert mit 120 Bedürftigen. Das war eine wundervolle Erfahrung.

Und der Startschuss für die nächsten 25 Jahre?
Genau. Wir machten weiter, und jedes Jahr wurden es mehr Gäste. Mittlerweile kommen 3000 Menschen zum Gänsebraten-Essen in den festlich geschmückten Saal. Gott sei dank haben wir jetzt 17 Städte, die das Prinzip übernommen haben, und das auch machen. Obwohl es ein bisschen nach Alkohol und Schweiß riecht.

Worauf freuen Sie sich bei dem Fest?
Ich lasse es mir nie nehmen, jeden Gast persönlich an der Tür zu begrüßen. Auf diese Begegnungen freue ich mich am meisten, denn um die Menschen geht es an diesem Abend. Wenn ich sie dann umarme, sind sie glücklich, und ich bin gerührt. Denn da sehe ich alles: von Muttchens mit Kindern und Hunden bis zu Gestalten mit zernarbten Gesichtern. Aber diese Menschen wollen an diesem Tag auch nicht bemitleidet werden.

Packt Sie dabei auch selbst die Weihnachtsstimmung?
Ich brauche immer zwei Tage, um alles sacken zu lassen. Das ist auch wichtig, denn ich will ja mit meiner Familie auch noch ein schönes Fest feiern.

Sie arbeiten eng mit Ihrem Sohn Marcus Zander zusammen, der das Schallplatten-Label führt, auf dem Sie veröffentlichen.
Klar, wir haben ein inniges Verhältnis und sind ein eingespieltes Team. Er fühlt wie ich und passt mehr auf mich auf als meine Frau.

Was ist denn schwieriger am Laufen zu halten: Ihre Ehe oder Ihre Karriere, die beide schon über 50 Jahre andauern?
Schwer zu sagen: Aber wenn ich Kollegen sehe, haben die schon zum dritten Mal geheiratet. Es ist natürlich schick, mit einer jungen Frau über den Roten Teppich zu laufen wie Matthias Reim oder so. Aber es ist sicher auch viel Stress, weil man mit so einer jungen Frau auch mithalten muss. Ich habe lieber eine tolle Familie, die zu mir steht. Auch bei uns gibt es manchmal Stress, aber wir halten durch und vor allem zusammen.

Gibt es einen Luxus, den Sie sich gönnen?
Wir haben eine Wohnung in San Antonio auf Ibiza. Das haben wir uns mal erlaubt. Ich kann dort auf der Terrasse sitzen, die Aussicht genießen und einfach schwelgen. Durch meine Hüftoperation bin ich seit zwei Jahren nicht mehr hingekommen. Aber das holen wir hoffentlich bald nach. Denn in Berlin wohne ich mittendrin, ohne Fahrstuhl. Die Treppensteigerei hält mich fit.

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Ende 2017 machten Sie Ihre Prostatakrebs-Erkrankung öffentlich. Aber das haben Sie gut weggesteckt.
Ich hatte eine Prostata-Operation, und im Frühjahr kam noch eine Hüftoperation dazu. Aber ich habe mich wieder aufgerappelt und viel Physiotherapie gemacht. Ich mache damit weiter und bin jetzt guter Dinge.

Viele Ihrer Kollegen hatten nicht so viel Glück.
Ich bin der letzte Mohikaner! Ich sehe Kollegen verschwinden, wo ich denke: Mensch Meier, die Leute, die den Löffel abgeben, werden deutlich mehr. Das ist schon sehr traurig. Der Tod von Costa Cordalis hat mich sehr mitgenommen, auch der von Karel Gott – der hat ja wunderbare Sachen geschrieben. Es gibt nur noch ganz wenige von den Urgesteinen. Und viele von denen, die noch leben, leben auch nur noch in und von der Vergangenheit.

Sie nicht?
Nein. Deswegen machen wir weiter mit neuen Titeln. Aber eben bei einer kleineren Plattenfirma, bei der alles sehr familiär zugeht – und eben nicht bei Universal. Da hauen sie natürlich die Sachen nur so raus. Es streamt sich ja alles kaputt. Wir haben die neue Platte als Vinyl veröffentlicht, wie schon die davor.

Hat ein Major-Plattenlabel Ihnen mal ein Angebot gemacht?
Ja, klar, aber ich möchte nicht dauernd gefragt werden: „Hast du nicht was Neues? Mach doch am besten mal das hier.“ Oder „Demnächst schicken wir dich dorthin.“ Das habe ich alles hinter mir. Ich möchte es jetzt ruhiger angehen lassen. Wenn ich zum Rundfunk eingeladen werde, möchte ich den Abend noch verleben und nicht gleich weiter zum nächsten Termin müssen. Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich sage: So durchgetaktete Tage will ich nicht mehr.

Ihr Album ist sehr meinungsstark. Altersmilde sind Sie mit 77 jedenfalls nicht geworden.
Ich bin Sternzeichen Wassermann und immer der Zukunft verbunden. Und ich weiß auch, dass Menschen sich nicht ändern werden, bevor es weh tut. Das ist leider so. Und deswegen wird Hamburg irgendwann mal unter Wasser sein, wenn wir so weitermachen. Aber bis es soweit ist, hau’ ich noch mal ordentlich rein in jede Kerbe, die sich mir bietet.

Glauben Sie, dass man den Klima-Wandel noch aufhalten kann?
Das wird schwer. Als Wassermann fühle ich das alles. Wir sind einfach zu viele. Wir wollen alle zu viele Dinge: Jeder will ein Auto haben. Wir wollen verreisen auf großen Schiffen. Und in der Zeit, in der wir alles haben wollen, schmilzt das Eis am Nordpol schneller als wir glauben. Wir sind alle schuld. Wir sind nun mal gierig. Und wenn man die Typen sieht, die an der Macht sind, passiert viel zu wenig. Es muss wirklich erst mal richtig weh tun, dann verändern wir uns.

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imago images / STAR-MEDIA

Trotzdem machen Sie sich auf der Platte über Veganer lustig. Ist das nicht ein Widerspruch?
Nein, in keinster Weise. Nur weil jetzt alle merken, dass wir mit dem Fleisch aufhören müssen? Die im Lied besungenen „Vegan Vampire“ sind die, die nur Pflanzen fressen, und genauso viel anrichten wie alle anderen. Es geht darum, dass wir so oder so alles kaputt machen – mit oder ohne vegan. Weil der Mensch ein Arschloch ist. Aber allein am Titel merkt man schon, dass das Stück eine Spielwiese ist; ein witziger Song, zudem man auch gut tanzen kann. Er steht für meine Lust am Bunten, Schrillen.

Und wenn Sie einen Veganer-Shitstorm ernten?
Das macht mir aber so was von nichts aus! Ich habe mal eine Platte rausgebracht, die hieß „Das Ende des deutschen Schlagers“. Das haben einige sehr ernst genommen und mich verteufelt. Aber ich habe nun mal eine Ader für schwarzen Humor. Da ist ein bisschen Monty Python mit drin. Wenn man das überbewertet, ist das nicht mein Problem. Es gibt auf der Platte Gruselrock und Zickenpop. Manche Titel sind ernst gemeint, manche nicht.

Sie rechnen mit Nazis ab.
Tja, man denkt ja immer, dass der Mensch aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, aber dem ist leider nicht so.

Sie haben Ihren zweiten Vornamen Adolf streichen lassen.
Schon vor vielen Jahren, ja. Denn Adolf war für mich jedes Mal furchtbar. Ich konnte ja nicht dafür, dass ich einen Onkel hatte, der so hieß. Ich habe damals 600 Mark bezahlt – seitdem heiße ich nur noch Frank Kurt Zander. Ich habe noch einen Zweitwohnsitz auf Ibiza. Dort ließ ich ihn zwar auch löschen, aber in Spanien nennen sie mich immer noch gern Adolfo. Das finden die irgendwie gut, ohne den Bezug zur Vergangenheit zu sehen.

Album: Frank Zander „Urgestein“ (Zett Records/Da Music)