Zum 60. Geburtstag von 007Ian Fleming: Hat James Bond seinen Erfinder umgebracht?

James-Bond-Erfinder Ian Fleming (l.) am Set der ersten Kinoverfilmung "007 jagt Dr. No" mit Hauptdarsteller Sean Connery im Jahr 1962. (ln/spot)
James-Bond-Erfinder Ian Fleming (l.) am Set der ersten Kinoverfilmung "007 jagt Dr. No" mit Hauptdarsteller Sean Connery im Jahr 1962. (ln/spot)

imago/Cinema Publishers Collection

SpotOn NewsSpotOn News | 04.10.2022, 07:32 Uhr

Die James-Bond-Kinoreihe feiert ihren 60. Geburtstag. Damals erschien der britische Spion zum ersten Mal in "007 jagt Dr. No" auf der großen Leinwand. Erfinder Ian Fleming gilt nicht nur als Schöpfer der Figur, sondern auch als die historische Vorlage.

Gerührt oder geschüttelt? Das stilgerechte Mixen eines Martini-Cocktails hat zu der bekanntesten Frage der Film-Geschichte geführt. Wie also muss der Standard-Drink beschaffen sein, den sich 007-Agent James Bond am liebsten zu Gemüte führt?

Dumme Frage, natürlich im Shaker geschüttelt und dann abgeseiht! Nur so geraten die Zutaten – 3 Teile Gin, 1 Teil Wodka und 1/2 Teil Lillet auf Eis – ins perfekte Gleichgewicht sowie zu einem, wie britische Wissenschaftler herausgefunden haben, „verbesserten antioxidativen Effekt“. Soll heißen: 007 trinkt etwas gesünder …

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Wobei die Mediziner dem Commander James Bond einen jahrzehntelangen erheblichen Alkoholkonsum unterstellen. 007 sei mittlerweile ein Alki und mit seinem Tremor überhaupt nicht mehr in der Lage, seine Martinis vernünftig zu rühren. Daher also: geschüttelt, nicht gerührt!

Ian Fleming ist der Vater von James Bond

Damit wären wir auch schon bei seinem Vater, falls wir seinen Erfinder Ian Fleming (1908-1964) so nennen dürfen. Der englische Schriftsteller schottischer Abstammung hat James Bond ersonnen – offensichtlich nach seinem Ebenbild.

Wenn der Lebemann Fleming in den Spiegel schaute, erblickte er James Bond. Er sah blendend aus, hatte erstklassige Manieren, liebte Frauen, schnelle Autos, gute Restaurants. Er war gleichermaßen sportlich und kultiviert, sprach neben Englisch, fließend Französisch, Deutsch und Russisch, und er trank gern gut und viel.

Als vor 60 Jahren der erste 007-Film „James Bond jagt Dr. No“ am 5. Oktober 1962, in die Kinos kam, hatte Fleming bereits neun Agenten-Romane geschrieben – und dabei aus dem Nähkästchen geplaudert. Er hatte nicht nur als Journalist, Schriftsteller und Banker gearbeitet, sondern auch beim britischen Geheimdienst. Also ein Mann vom Fach.

Ian Fleming kam aus noblem Hause

Er entstammte der britischen Upper Class und wurde am 28. Mai 1908 in London geboren. Sein Vater Valentine Fleming war Abgeordneter im britischen Unterhaus, der Großvater Robert Fleming ein bekannter schottischer Bankier, der legendäre Dracula-Star Christopher Lee ein Cousin. Als Flemings Vater Valentine 1917 im Ersten Weltkrieg als Major der Queen’s Own Oxfordshire Hussars durch deutschen Beschuss in Flandern fiel, schrieb Winston Churchill in der „Times“ den Nachruf.

Auch mit Ian Fleming hatte die Familie viel vor. Politik, Militär, diplomatischer Dienst – das waren die Ideen der ehrgeizigen Mutter Evelyn Beatrice Fleming, die nach dem Kriegstod ihres Mannes eine Beziehung zu dem walisischen Maler Augustus John pflegte, aus der Flemings Halbschwester Amaryllis, später eine berühmte Cellistin, hervorging. Talent hatte Ian schon – nur nicht die rechte Lust.

Vom elitären Jungen-Internat Eton College flog er wegen einer Mädchen-Affäre. Die Militärakademie Sandhurst musste er nach einer Gonorrhoe-Infektion, die man seinerzeit Tripper nannte, vorzeitig verlassen. Eine englische Privatschule in Kitzbühel schloss er dagegen mit außerordentlich guten Leistungen ab. An den Universitäten von Genf und München studierte er Sprachen und Psychologie, doch die Aufnahmeprüfung des britischen Außenministeriums versiebte er.

James-Bond-Erfinder schlägt zunächst Karriere als Journalist ein

So wurde Ian Fleming Journalist. Er arbeitete für die Nachrichtenagentur Reuters und berichtete aus Moskau von einem stalinistischen Schauprozess. Zum Interview mit Stalin kam es nicht, der sowjetische Diktator schrieb ihm persönlich, er habe leider keine Zeit. Zurück in England wechselte er in das Bankwesen, weil da mehr zu verdienen war; allerdings sagten sogar Freunde, er sei der schlechteste Börsenmakler der Welt…

1939 trat er mit Kriegsbeginn als Leutnant der Royal Navy in den Marine-Geheimdienst British Naval Intelligence Department ein: Er wurde gleich Assistent des Direktors und 1941 Verbindungsoffizier zu den US-Nachrichtendiensten. Später hat Fleming behauptet, er habe den Amerikanern die „Blaupause“ zur Gründung der CIA geliefert.

Als Geheimdienstler reiste er 1941 unter anderem in das portugiesische Seebad Estoril bei Lissabon, einer Begegnungsstätte von Spionen aller verfeindeten Lager. Jeden Abend saß er im feudalen Casino beim Baccara mit deutschen Agenten. Fleming verlor meistens. Immerhin kam ihm dabei die Idee zum seinem ersten Roman „Casino Royale“, der 1953 erschien. Der Held hieß James Bond – wie der amerikanische Ornithologe, dessen Bücher Fleming in seiner Jugend verschlungen hatte.

Auch James Bond ist Commander des britischen Navy-Geheimdienstes

Flemings Bond ist wie er selbst Commander des britischen Navy-Geheimdienstes und, bei allem Charme und Witz, eine Killermaschine mit der Lizenz zum Töten, die im Smoking um die Welt reist. Das erste Buch übersteigt in seiner Erstauflage nicht die 5000er-Grenze, was nicht weiter tragisch ist, denn Fleming wird von seiner reichen Mutter finanziert. Also schreibt er wie besessen weiter.

Mittlerweile ist er auch verheiratet und zwar mit Lady Anne O’Neill, der schönen Witwe des Barons Shane O’Neill und Ex-Frau des Pressemagnaten Esmond Harmsworth, 2. Viscount Rothermere. Sie haben sich während des Krieges kennengelernt und teilen ihre Leidenschaft für Spanking, was auch aus Briefen von Anne an Ian hervorgeht: „Ich sehne mich nach dir, auch wenn du mich peitschst, denn ich liebe es, von dir verletzt und danach geküsst zu werden.“ Umgekehrt möchte sie ihn „mit einer Lederpeitsche für 40 Jahre bändigen“ dürfen.

Die sado-masochistische Neigung schlägt sich in seinen Bond-Büchern in diversen Folterszenen nieder, zumal diese Leidenschaft in der Ehe rasch erkaltet und ihm sein Arzt das Schreiben als Therapie gegen die Langeweile verordnet, weil Anne ihn offenbar nur noch mit Worten quält und ihm sagt, dass sie lieber mit „echten Schriftstellern“ zusammen sei. Fleming besitzt auf Jamaica das Haus „Goldeneye“ am Meer, er hat sich während einer Spionage-Mission im Krieg in die Insel verliebt. Hier schreibt er seine Romane, während die Ehefrau mit Kind zuhause in Kent/England sitzt.

Ian Fleming schreibt jeden Tag 2000 Worte

Jeden Morgen bringt er von neun bis zwölf auf seiner vergoldeten Schreibmaschine 1000 Worte zu Papier, dann geht er tauchen und fischen und zu einem üppigen Lunch. Ab Nachmittag folgen wieder 1000 Worte, bevor er sich in die tropische Nacht mit Diner und Cocktailpartys stürzt. So ist in zwei Monaten ein Buch fertig. Ab 1959 kann er von seinem Bond-Romanen leben, 1961 ist er in den USA der meistverkaufte Thriller-Autor, der von Präsident John F. Kennedy geliebt wird und dessen Bücher Jackie Kennedy den US-Geheimdienstchefs als Lektüre empfiehlt.

Der erste Bond-Film kommt 1962, nachdem in den USA eine erste TV-Verfilmung (1954) erfolglos blieb. Doch 007 im Kino – das übertrifft alle Erwartungen. Auch der Verkauf der zwölf Bond-Romane und neun Bond-Shortstorys geht durch die Decke. Als die Bond-Taschenbücher auf den Markt kommen, sind in England unter den ersten 18 Titeln, die über eine Million Mal verkauft werden, zehn Titel von Ian Fleming.

Den ganz großen James-Bond-Rausch, der über Jahrzehnte anhält, hat sein Erfinder nicht mehr erlebt. Ian Fleming hatte 1961 eine Herzattacke und erkrankt 1964 an Grippe, daraus entwickelt sich eine Bauchfellentzündung. Schließlich ereilt ihn ein zweiter Herzinfarkt in seinen Golfclub in Kent. Zu viel Nikotin, zu viel Alkohol, zu viel gutes Leben. Er stirbt am 12. August 1964 mit gerade mal 56 Jahren, „nicht ohne die Ärzte um Entschuldigung für die späte Störung gebeten zu haben“, wie der „Deutschlandfunk“ berichtet.

Seine Halbschwester vermutet James Bond hinter dem Tod ihres Bruders

Seine Halbschwester, die Cellistin Amaryllis Fleming, sagt nach seinem Tod der BBC: „Zunächst war James Bond nur ein Spielzeug für ihn, aber dann wurde James Bond zu seinem Herren und er zu dessen Spielzeug. Ich glaube, James Bond hat ihn umgebracht.“