ExklusivInterview mit Jon Bon Jovi: „Ich bin nicht der fette Elvis“

Unser Interview mit Jon Bon Jovi: „Ich bin nicht der fette Elvis“
Unser Interview mit Jon Bon Jovi: „Ich bin nicht der fette Elvis“

Universal Music

Paul VerhobenPaul Verhoben | 11.10.2020, 21:20 Uhr

Zahnpasta-Lächeln, grauer Haarschopf, kein Gramm Fett am Leib. Rockstar und Schauspieler Jon Bon Jovi (eigentlich John Francis Bongiovi jr.) ist auch schon 58, aber altert würdevoll und ohne Skandale. Mit seiner Band Bon Jovi wollte er das neue Album „2020“ schon im April veröffentlichen.

Doch dann kam der Corona-Lockdown, und Jon Bon Jovi zeigte sich einmal mehr als Wohltäter für die Armen in der Gesellschaft. Beim Gespräch mit Klatsch-tratsch.de-Starreporterin Katja Schwemmers erzählt der Frontmann vom politischen Engagement seiner Kinder, seiner Langzeit-Ehe, der Rockstar-Eitelkeit im Alter und langen Corona-Nächten mit dem hauseigenen Wein.

Mr. Bongiovi, wie fühlt es sich 2020 an, der Frontmann von Bon Jovi zu sein?
Es fühlt sich richtig an! Das letzte Album „This House Is Not For Sale“ war angesichts des plötzlichen Weggangs von Richie Sambora ein Statement: Das Haus, mein Herz und meine Seele werden mir durch ihn nicht weggenommen! Aber damit bin ich jetzt durch. Bon Jovi stochern nicht mehr im Nebel, wir haben wieder klare Sicht und setzen die Segel.

Sind schwierige Zeiten gut, um kreativ zu sein?
Wenn man Augen und Ohren offen hält für das, was um einen herum geschieht, bietet jeder Tag Gelegenheiten, ein Lied zu schreiben. Im März hätte ich noch über Harrys und Megans Ausstieg aus dem britischen Königshaus schreiben können, was ich mir zum Glück verkniffen habe. Heute könnte ich über das Corona-Virus schreiben.

Unser Interview mit Jon Bon Jovi: „Ich bin nicht der fette Elvis“

imago images / ZUMA Press

Beschäftigen Sie sich viel mit den aktuellen Nachrichten?
Wir leben in Zeiten der Reizüberflutung. Es gibt Tage, da ist auch mir alles zu viel. Dann schalte ich ab und blockiere alle diese Eindrücke.

Gibt es etwas, dass Sie besonders wütend macht?
Das Ignorieren des Klimawandels macht mich richtig sauer! Die Behauptung, dass er nicht existiert, ist sowohl durch Gier als auch durch mangelnde Gesprächsbereitschaft motiviert, was letztendlich Arroganz ist. Aber das macht wohl jeden vernünftigen Menschen wütend.

Coldplay wollen aus Umweltschutzgründen erst mal keine große Tourneen mehr machen. Finden Sie das übertrieben?
Bon Jovi bezahlen bereits seit vielen Jahren die CO2-Emissionsabgabe, und wir achten darauf, dass die Dinge, die wir Backstage benutzen, recycelbar und umweltfreundlich sind. Aber wir werden auch nicht mit dem Boot nach England reisen, zumindest ich nicht.

Sondern?
Ich würde lügen, wenn ich mein Flugpensum abstreiten würde; wenn ich kann, benutze ich auch Privatflugzeuge. Aber man kann trotzdem achtsam sein, wenn es ums Recycling geht, das Vermeiden von Düngemittel, das die Flüsse verschmutzt, solche Dinge eben. Ich glaube, jeder versucht, etwas gemäßigter zu leben. Das Thema sollte mit gesundem Menschenverstand angegangen werden. Ich sehe jedenfalls keinen Grund, warum Amerika aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten ist.

Mögen Sie Greta Thunberg?
Ich habe enormen Respekt vor diesem jungen Mädchen. Ich wäre stolz darauf, ihr persönlich sagen zu können, dass sie großartige Arbeit für ihre Generation, für Kinder und für Menschen im Allgemeinen leistet. Sie ist klasse.

Beeindruckt Sie die junge Generation?
Oh ja! Die Kids sind so engagiert, leben viel bewusster als noch vor einigen Jahren. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der sich High-School-Kids so sehr auf politische Gespräche eingelassen haben. Mein Sohn Jake hat im Dezember einen Protestmarsch gegen das Nichthandeln der Regierung bezüglich der Massenschießereien an amerikanischen Schulen organisiert. Und er hat in der Stadt, in der er aufs Internat geht, für das Bürgermeisteramt kandidiert – ein 17-jähriger Bursche! Das ist unglaublich! Er hat sich bei seiner Kandidatur auf das Thema Umwelt konzentriert. Inspiriert hat ihn Gretas Engagement. Ich habe ihm dafür jegliche Anerkennung gezollt. Mir wäre als 17-Jähriger so etwas nicht im Traum eingefallen.

Vielleicht lag’s an seiner guten Erziehung?
Vielleicht. (lacht)

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Was ging in Ihrem Kopf vor, als Sie 17 waren?
Ich hatte mich auf Teufel komm raus darauf eingeschossen, dass die große Musikkarriere klappen muss. Wenn du so jung bist, sagt dir natürlich jeder, dass das Quatsch ist. Deshalb war ich wohl ein wenig aufsässig. Ich hatte keinen Plan B. Musik oder gar nichts war meine Devise.

Haben Sie noch Freunde aus Ihrer Jugendzeit?
Vielleicht ein oder zwei, die ich seit meiner Kindheit kenne. Der Kontakt ist etwas eingeschlafen. In meiner Heimatstadt habe ich keine Familie mehr, deshalb verschlägt es uns selten dorthin. So verliert man sich schnell aus den Augen.

Welche Rolle spielt Familienzusammenhalt in diesen Tagen für Sie?
Es heißt nicht umsonst, dass Liebe alles überwindet und den Hass übertrumpft. Dieses alles umspannende Motiv ist zwar nicht neu. Doch die Sehnsüchte der Menschen sind dieselben geblieben: Ganz gleich, wer wir sind, ob wir politisch unterschiedliche Ansichten vertreten oder welche Nationalflagge über unserem Haus weht – wir alle wollen morgens aufwachen, ein Dach über dem Kopf, Essen auf dem Tisch und den Komfort und die Sicherheit unserer Familie haben. Das wird sich nie ändern. Deshalb ist Zusammenhalt das zentrale Thema dieser Platte.

Im Stück „Story Of Love“ singen Sie: „Fathers love daughters like mothers love sons.“ Heißt das, dass Sie zu Ihrer Tochter ein besonderes Verhältnis haben?
Auf alle Fälle. Erstens ist Stephanie mit 26 mein ältestes Kind, und zweitens meine einzige Tochter. Jeder Daddy, der eine Tochter hat, kennt diese spezielle Bindung. Ich beschütze meine Tochter wie ein Juwel, denn sie ist mein Baby.

Inwiefern ist der Umgang mit Ihrer Tochter anders als mit Ihren Jungs?
Ich bin vorsichtiger mit ihr. Väter sagen in Gegenwart ihrer Töchter sowieso eher wenig, sie beschränken sich auf: „Aha, mmmh, okay…“ Manchmal ist es auch einfacher, lieber nichts zu sagen. Denn sie ist durch und durch ein Mädchen und geht schnell mal an die Decke. Mit den Jungs kann ich schon anders umspringen. Sie sind wie dusselige Hunde. Ich muss sie nur dazu bringen, nicht auf den Teppich zu pullern. (lacht)

So langsam verlassen alle Ihre Kinder das Elternhaus. Ist das schwer für Sie?
Oh, ich hasse es! Zuletzt zog Jake aus. Er geht jetzt auf ein Internat. Mit Glück sehe ich ihn an den Wochenenden. Das ist echt hart – auch für meinen jüngsten Romeo. Er ist 15 und muss nun rund um die Uhr all unsere Fürsorge ertragen. Meine Frau und ich liegen ihm beide ständig auf den Ohren. Und er schimpft dann: „Lasst mich in Ruhe, hört auf, mir in den Nacken zu atmen!“ (lacht)

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Jon Bon Jovi mit Family 2013. Foto: imago images / UPI Photo

Ihr Haus in New Jersey haben Sie trotzdem schon mal zum Verkauf angeboten.
Wir haben uns in den letzten Jahren kontinuierlich verkleinert. Ich lebe schon einige Jahre nicht mehr in New Jersey. Ich bin einfach viel zu selten dort – vielleicht gerade mal sieben Tage im Jahr. Trotzdem liebe ich es von ganzem Herzen, weil wir es selbst gebaut haben. Aber es ist einfach zu schön und zu groß, um es leer stehen zu lassen. Es verdient, dass eine Familie darin lebt. Uns reicht ein Apartment. New York war anfangs nur eine Option für uns, aber ich habe meine Familie überzeugt, mitzukommen. Es war für mich an der Zeit für Veränderung.

Haben Sie sonst noch was verändert?
Ich mache keine Tourneen mehr mit 200 Auftritten. Dafür fehlt mir der Antrieb. Dann lieber 30 Shows in einem Jahr spielen und dafür dann drei Jahre mit einem Album unterwegs sein. Denn wenn man, so wie wir sonst, 100 Shows in einem Jahr macht, ist man im zweiten Jahr erschöpft, und im dritten Jahr schreibt man bereits Songs für ein neues Album. Wir wollen aber frisch an neue Lieder gehen. Ich kann also garantieren, dass es diese großen, endlos langen Welttourneen nicht mehr geben wird.

Ist spielen bis zur Rente eine Option für Sie?
Ich habe noch kein Verfallsdatum für Bon Jovi im Kopf. Ich habe die Rolling Stones immer als meine Helden betrachtet. Wenn die aufhören, weiß ich, wann das richtige Alter für den Ruhestand ist. Die Jungs sind jetzt fast 80 und rocken immer noch die Stadien. Mit so viel Energie, das ist der Wahnsinn! Ich glaube allerdings nicht, dass ich das in dem Alter noch tun werde.

Wie erleben Sie das Altern als Rockstar?
Ich bin sicherlich nicht der fette Elvis. Und ich werde auch nie der fette Elvis sein, das haut bei mir nicht hin! (lacht) Ich werde auch nie einer der Typen sein, der versucht, die Vergangenheit wiederzubeleben. Ich bin ehrlich genug mit dem Publikum, um mich so zu zeigen, wie ich im Moment bin. Ich akzeptiere, dass ich älter geworden bin. Denn wenn ich hier mit Botox aufgespritzt und gefärbten Haaren reinkommen würde, käme ich mir wie eine Mogelpackung vor.

Und Druck, attraktiv zu sein, verspüren Sie nicht?
Ich bin gern ein Silberfuchs… Sieh dir Mick Jagger an, wie er sich die Haare färbt. Bono und Bruce Springsteen – sie alle tun es! Ich habe mich dagegen entschieden. Schon als ich 25 Jahre alt war, habe ich mir selbst das Versprechen gegeben, dass ich später nie einer von solchen Männern werden würde und nie ein Klischee-Rockstar. Wenn ich jetzt all das täte, käme ich mir vor wie ein Lügner. Und ich bin alles andere als ein Lügner.

Sie sind seit 31 Jahren verheiratet. Wie hat sich die Beziehung zu Ihrer Frau über die Jahre verändert?
Es ist großartig, und es wird immer besser, immer intensiver und inniger. Meine Frau Dorothea ist fabelhaft. Wir sind gemeinsam auf dieser Reise des Lebens, und wir haben schon alles Erdenkliche durchgestanden. Wir haben gemeinsame Kinder und sind noch immer gesund. Am Ende des Tages ist das alles, was zählt. Vor diesem Hintergrund wird unsere Bindung immer enger.

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Jon Bon Jovi 2003. Foto: Brian Silak/ Universal Music

Gab es nie eine Krise?
Nicht tief genug, um zu glauben, dass es sich nicht lohnt, für unsere Beziehung zu kämpfen. Nein, ich bin wirklich vom Glück gesegnet. Diesbezüglich habe ich alles richtig gemacht.

Viele Projekte machen Sie gemeinsam mit Ihrer Frau. Möchten Sie das noch ausbauen?
Ich mache bereits weniger Musik. Es entwickelt sich tatsächlich so, dass wir uns zunehmend anderen Beschäftigungen zuwenden. Wir haben unser drittes „Soul Kitchen“-Restaurant eröffnet, das hält uns ganz schön auf Trab. Und es werden wohl noch mehr werden. Vielleicht pendelt mein Leben in eine neue Richtung, ohne dass ich es überhaupt merke?

Haben Sie eine Bucketlist?
Wissen Sie, warum ich immer sage: „Ich habe keine Löffelliste“? Weil ich eigentlich alles, was ich je ausprobieren wollte, ausprobiert habe! Einige Dinge haben geklappt, andere weniger. Ich wollte Filme machen, also habe ich Filme gemacht. Ich fand Modeln interessant, es hat mir nicht gefallen, aber ich hab’s versucht. Ich wollte mal ein Football-Team kaufen. Das hat nicht hingehauen, aber zumindest habe ich alles dafür gegeben. Ich wollte meine Musikerlaufbahn auf hohem Niveau fortsetzen – und das ist mir gelungen.

Vielleicht stehen Kleinigkeiten wie Bungee-Jumping drauf?
Ich bin auch schon mit einem Fallschirm von einer Klippe gesprungen. Wenn das nicht glatt gegangen wäre, säße ich heute nicht hier. Den Bungee-Sprung habe ich ebenfalls abgehakt. Das sind Augenblicke, in denen ich nicht zu lange nachdenken darf, sondern mir einfach sage: „Los, komm und spring!“ Aber ganz ehrlich: Den Bungee-Sprung muss ich nicht unbedingt wiederholen. Nee, wirklich nicht.

Haben Sie sich schon mal mit Ihrem eigenen Wein, dem „Hampton Water Rosé“ betrunken?
Na klar! Zuletzt in der vergangenen Woche. Es gab nicht mal einen konkreten Anlass dafür. Es ist einfach guter Wein, wir trinken ihn häufig.

Haben Sie weitere Pläne in die Richtung?
Der Weinanbau ist eigentlich das Business meines Sohns Jesse. Ich bin nur die moralische Unterstützung. In die Breite expandieren wollen wir gerade nicht, wir denken eher über eine größere Auswahl an Rosé-Weinen nach. Und jetzt, wo wir unsere landesweite und internationale Präsenz auf den Märkten ausgebaut haben, stehen ohnehin eine Menge Aufgaben an, bevor wir uns mit neuen Sorten beschäftigen können. Da haben wir noch einen langen Weg vor uns.

2019 haben Sie auf einem Jon-Bon-Jovi-Cruise eingeheizt. War das Ihr Ding?
Das bleibt eine einmalige Angelegenheit. Ich konnte es auf diesem Schiff echt nicht aushalten. Ich könnte nie auf so einem Kutter schlafen, das ist echt nicht meins. Also habe ich mir den Luxus geleistet, an Bord zu kommen, runterzugehen, an Bord zu kommen und wieder runterzugehen.

Ist das ein gutes Gefühl, wenn Tausende an der Reling stehen und Ihnen zujubeln?
Das ist nicht viel anders als bei einer Show! Beeindruckender als das ist es allerdings, wenn du bestimmen kannst: „Bring mir das Schiff!“ oder „Fahr weg, Schiff!“ oder „Komm zurück, Schiff“. Das war eindrucksvoll! Es geht also nicht um die Show, die ist Routine. Aber wenn man bestimmen kann, wann ein Boot abzufahren oder anzukommen hat, dann hat man es wohl geschafft. (lacht)

Album jetzt zu haben: Bon Jovi „2020“ (Universal/ Island)