FilmHalloween-Legende Jamie Lee Curtis: Unser großes Interview

Jamie Lee Curtis: Chris Evans’ Penis-Bild war Absicht!
Jamie Lee Curtis: Chris Evans’ Penis-Bild war Absicht!

imago images / MediaPunch

Paul VerhobenPaul Verhoben | 27.10.2018, 20:29 Uhr

Als Tochter der Hollywood-Größen Tony Curtis und Janet Leigh wurde Jamie Lee Curtis („Ein Fisch namens Wanda“, „True Lies“) der Beruf in die Wiege gelegt. In diesem Jahr ist es 40 Jahre her, dass die US-Amerikanerin mit John Carpenters Grusel-Klassiker „Halloween – Die Nacht des Grauens“ den Durchbruch schaffte.

Zum Jubiläum kehrt die „Scream Queen“ in die Rolle zurück: Im neuen „Halloween“-Streifen, der jetzt in den Kinos läuft, verkörpert sie Laurie Strode als gealterte, traumatisierte Frau, die versucht, ihre Familie vor dem Massenmörder Michael Myers zu beschützen. Curtis’ persönliches Trauma war ihre Alkohol- und Tabletten-Sucht in den Neunzigern. Beim Interview in Hamburg trägt die zweifache Golden-Globe-Gewinnerin, die seit 1984 mit dem Schauspieler Christopher Guest verheiratet ist und zwei Adoptiv-Kinder hat, einen angriffslustigen Hosenanzug in Knallrot. Curtis wirkt entschieden, als sie über amerikanische Waffengesetze, ihren Vater und ihren 60. Geburtstag im November schwadroniert.

Frau Curtis, es ist lange her, dass Sie in Europa waren, oder?
Beruflich auf alle Fälle. Ich liebe es hier. Aber ich lebe nun mal in Amerika. Ich habe zwei Kinder in Los Angeles aufgezogen. Ich war zwar im letzten Jahr in Wien in Urlaub mit meinem Ehemann und Freunden – und das war toll. Aber ich reise generell nicht sehr viel.

Es scheint auch, als hätten Sie sich in den letzten Jahren ein Stück weit aus Hollywood zurückgezogen.
Es stimmt. Ich schrieb einige Kinderbücher, die recht erfolgreich waren. Kinder amüsieren mich einfach. Ich habe mich eher um mein eigenes Business mit meinem Ehemann gekümmert. Das Letzte, was ich erwartet hatte, war, noch einmal einen „Halloween“-Film zu drehen.

Hat das auch damit zu tun, dass Sie jetzt auf die 60 zugehen?
Vermutlich. Verrückterweise habe ich im vergangenen Jahr aber mehr bewerkstelligt als in den 59 Jahren davor. Ich habe mehr gearbeitet, mehr geschrieben, mehr produziert, mehr nachgedacht und auch auf persönlichem Level an mir gearbeitet. Ich fühle mich gerade unglaublich lebendig. Insofern sehe ich der 60 gelassen entgegen. Ich verstehe es als prima Chance, weiter zu wachsen und mich zu entfalten.

Wie werden Sie feiern?
Im Stillen. Ich verabschiede mich von all meinen Social-Media-Kanälen nach der Promotiontour für den Film. Ich werde eine sehr notwendige Social-Media-Pause einlegen. Ob ich zurückkomme, steht noch in den Sternen.

Wünschen Sie sich denn irgendwas?
Der 22. November 2018 ist das Erntedankfest in Amerika. Es macht für mich absolut Sinn, dass mein 60. Geburtstag auf den großartigsten Tag des Danksagens in der amerikanischen Kultur fällt. Mein Mann, meine Kinder und die ganze Familie werden an meinem Ehrentag um mich sein – das ist ein Geschenk. Auch für meine Arbeit werde ich dankbar sein – obwohl die Filmemacherei nicht das ist, was mich ausmacht. Ich bin einfach nur glücklich, am Leben zu sein. Ich werde meiner Mutter danken, die mich auf die Welt gebracht hat, und meinem Vater für den kleinen Anteil, den er daran hatte – denn viel Zeit nahm er sich nicht für mich. Er war einfach kein Familien-Mensch und nur an seinem Job interessiert. Aber auch damit habe ich meinen Frieden gemacht.

Haben Sie sofort ja gesagt, als das Angebot kam, noch mal die Rolle der Laurie Strode in „Halloween“ zu spielen?
Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, schon. Mir gefiel an dem Script, dass mein Charakter Laurie nun ein ganz anderer Mensch ist als vor 40 Jahren. Es ist ein Film, der über ein generationsübergreifendes Trauma geschrieben wurde – so wie es oft in realen Familien existiert. Das hat den Ausschlag gegeben, warum ich sagte: „Ja, klar, lass uns loslegen.“ Ich habe zwar selbst kein solches Trauma mit Gewalt erlebt, dafür hatte ich andere Probleme in meinem Leben.

Zum Beispiel?
Mein Suchtproblem, dem ich mich vor 20 Jahren entledigt habe.

Im Film sieht man Sie mit langen Haaren. Das ist ungewohnt.
Das war Sinn der Sache. Denn Jamie Lee Curtis ist allgegenwärtig und bekannt dafür, Jamie zu sein. Sie spricht über Politik, verkauft Stuhlgang fördernden Joghurt und schreibt Kinderbücher. Damit verbindet mich die Öffentlichkeit – und davon wollten wir uns für die Rolle entfernen. Also schlug der Regisseur vor, dass Laurie, die nun mal keine Modepuppe ist, im Jahr 2018 schulterlanges Haar tragen sollte – so wie im ersten Film 1978. Die meisten Frauen, die ich kenne, sperren sich selbst ein Leben lang in dem Look ein, in dem sie sich gut fühlten als sie jung waren. Sie bleiben dann bei dieser einen Frisur.

Gilt das auch für Jamie Lee Curtis?
Ich hatte mal langes Haar und beging den Fehler, mir eine Dauerwelle machen zu lassen. Mir ist dabei das Haar auf dem Kopf verbrannt und büschelweise abgebrochen. Meine damalige Agentin sah, was mit mir passiert war. Und sie nahm mich mit zu José Eber, dem Haarstylisten, dem in den Achtzigern alle Promis in Hollywood vertrauten. Er hat meine Haare einfach abgeschnitten. Ich musste mich erst daran gewöhnen, aber irgendwann sagte ich mir: „Ja, das ist es.“ Seitdem bin ich dabei geblieben. Und seither sind die kurzen Haare mein Markenzeichen.

Sind Sie dafür verantwortlich, dass die „Halloween“-Serie solch einen Kult-Charakter hat?
Wenn man es herunterbricht, liegt das nicht an mir, sondern an Michael Myers – dieser einzigartigen, Angst einflößenden Erfindung von John Carpenter und Debra Hill. Sie haben vor 40 Jahren einen menschlichen Nicht-Menschen erschaffen. Er hat keinen Ausdruck, keine Emotionen. Und trotzdem ist er ein Mensch und kein Roboter. Er tötet wahllos. Er ist stumm und bewegt sich langsam – das macht es so gruselig. Der Witz an der Sache ist ja, wie die Beiden ihn erschaffen haben.

Nämlich?
Sie gingen 1978 zu einem Kostümverleih und fragten, ob die eine Gummi-Maske eines Menschen hätten. Die einzigen Masken der Art, die damals hergestellt wurden, waren „Star Trek“-Masken. Sie nahmen die Maske von William Shatner, der Captain Kirk in „Star Trek“ spielte, entfernten alle Haare und besprühten sie mit weißer Farbe. Und schon war der Massenmörder Michael Myers geboren. „Halloween“ war damals eine absolute Low-Budget-Produktion.

Und trotzdem bescherte Ihnen der Film den Durchbruch.
Er tat noch viel mehr als das. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich damit von meinen berühmten Eltern freischwimmen konnte. Ich habe durch den Film unglaublich viel Selbstbewusstsein getankt und viel gelernt. Alle Leute am Drehset waren so wahnsinnig jung und neugierig. Niemand verdiente wirklich Geld damit, alle wollten nur Spaß haben. Ich war damals 19 und hatte überhaupt keine Erfahrung. Aber danach standen mir einige Türen offen.

Sie spielten allerdings vorerst weiterhin in Horror-Filmen mit.
Ja, und diese Streifen erfahren in Hollywood nicht dieselbe Würdigung wie Filme anderer Genres. Oder haben Sie mal von A-Listen-Schauspielern gehört, die in Horrorfilmen mitspielen? Als ich aufwuchs, waren Horrorfilme automatisch B-Movies. Es fühlte sich beschissen an, als B-Movie-Schauspielerin kategorisiert zu werden. Ich wartete lange auf meine Legitimation als Schauspielerin. Ich fragte mich oft, wie ich in der Rangfolge in die A-Liste vorrücken könnte. Aus mir machten die Medien dann lieber die „Scream Queen“ und „The Body“, was ich als abwertend empfand. Und es bedeutete mir rein gar nichts, dass Leute meinen Körper mochten.

Warum denken Sie, dass die „Halloween“-Filme nach 40 Jahren immer noch funktionieren?
Keine Ahnung. Ich bin Laurie Strode – Punkt. Ich muss dafür nicht das Genre verstehen. Ehrlich gesagt, mag ich Horror-Filme nicht mal. Es entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie, dass ich trotzdem oft in welchen mitgewirkt habe. Meine Mutter spielte in „Psycho“ mit. Auch meine Mutter war kein Fan dieser Art von Filmen.

Gibt es ein anderes Genre, das Ihnen mehr liegt?
Ich mag gute Comedy. Ich habe selbst einige gedreht. Und mein Ehemann macht sehr gute, lustige Komödien. Ich lache nun mal gern.

Was macht Ihnen privat Angst?
Lügner! Leute, die etwas vorgeben, aber in Wirklichkeit etwas ganz anderes meinen. Jemand der behauptet, dass das hier ein Orangensaft ist, obwohl es eindeutig Wasser ist. Aber wenn dieser Jemand es lange genug behauptet, gibt es Leute in meinem Heimatland, die es ihm dann letztendlich glauben. Ich finde, wenn wir die Sprache nicht mehr ernst nehmen, wenn wir die Kontrolle über unsere Worte verlieren, so dass sie nichts mehr bedeuten, ist der Punkt erreicht, an dem die Zivilisation zerstört ist. Dann kannst du nichts mehr glauben und niemandem mehr vertrauen. Das jagt mir furchtbare Angst ein in diesen Zeiten.

Sie spielen auf Trump an. Im neuen Film rennen Sie viel mit der Waffe in der Hand rum. Wie lässt sich das mit ihrer politisch demokratischen Grundhaltung vereinbaren?
Meine Überzeugung ist, dass Menschen das Recht haben sollten, Waffen zu besitzen und bei sich zu führen, wenn sie es wünschen. Von einem generellen Waffenverbot halte ich nichts. Kontrolle reicht vollkommen. Waffenbesitzer müssen eine Lizenz erwerben und registriert sein – ähnlich wie das beim Führen eines Autos der Fall ist. Wenn sie geübt sind im Umgang mit Waffen und diese in verschlossenen Schränken aufbewahrt werden, finde ich es okay. Aber ich bin dagegen, an normale Bürger automatische Waffen auszugeben, die nur dafür gemacht sind, um Leute zu töten. Da muss man ja nur nach Las Vegas schauen, was dort im vergangenen Jahr passiert ist. Davon mal abgesehen kann ich allerdings nicht leugnen, dass ich selbst viel mit Gewehren geschossen habe – nicht nur in diesem Film.

Feiert man am 31. Oktober immer noch gerne Halloween, wenn man in all diesen Filmen mitgewirkt hat?
Zwangsläufig, nachdem man zwei Kinder groß gezogen hat. Ich kann eine Nähmaschine bedienen. Ich habe aufwendigere Halloween-Kostüme genäht als jeder andere Mensch, den ich kenne. Denn mein Sohn mag sehr obskure Kostüme. Er ist ein Gamer, er will also immer diese komischen Charaktere aus den Videospielen wie „Final Fantasy“ zum Leben erwecken. Ich habe mich ins Zeug gelegt, und ich hab’s dann auch hingekriegt.

Und dann gucken Sie gemeinsam „Halloween“?
Oh nein, Gott bewahre. Niemand guckt bei uns Zuhause „Halloween“. Ich schon mal gar nicht. Wir sitzen als Familie nicht im Wohnzimmer und schauen Filme, in denen ich mitwirke. Das interessiert meine Kinder nicht. Sie sind Anfang 20 und Anfang 30 und längst drüber hinweg, dass ihre Mutter Schauspielerin ist. Das Letzte, was sie wollen, ist über mich und meine Arbeit zu sprechen, wenn ich Zuhause bin.

Interview: Katja Schwemmers