ExklusivRegiedebüt: Bjarne Mädel über seinen Krimi „Sörensen hat Angst“
Bjarne Mädel spricht hier über sein Regie-Debüt „Sörensen hat Angst“, kalte Füße, pinkelnde Schafe, fleischlose Ernährung, Hundeliebe und seinen Tinnitus.
Beförderung für den „Tatortreiniger“: Mit dem Krimi „Sörensen hat Angst“ (Mittwoch, 20. Januar, 20.45 Uhr, Das Erste) wird Bjarne Mädel zum TV-Ermittler und nimmt erstmals auf dem Regiestuhl Platz.
Die Rolle des Kommissars, der unter Panikattacken leidet und einen Neustart im friesischen Katenbüll wagt, wurde ihm von Drehbuchautor Sven Stricker quasi auf den Leib geschrieben. Im Interview mit klatsch-tratsch.de-Reporterin Katja Schwemmers erzählt Bjarne Mädel, warum er manchmal an pinkelnde Schafe denkt, wieso er bei Dreharbeiten schon mal ein Weichei ist und wie er fast auf den Hund gekommen wäre.
Herr Mädel, zwei Großereignisse werfen ihre Schatten voraus: Am 20. Januar kann man sich nicht nur Ihr Regie-Debüt in der ARD ansehen, es ist auch der Tag der Amtseinführung von Joe Biden.
Für unseren „Sörensen“ finde ich das nicht so gut, weil es eher vom Film ablenkt, wenn davor Sondernachrichten gezeigt werden. Aber andererseits sagen sich die Leute ja vielleicht auch: Gucken wir uns erst den Biden an und dann den Mädel. Davon mal abgesehen ist es natürlich eine gute Sache, dass Biden als US-Präsident gewählt und bestätigt wurde und der Andere nun doch pünktlich das Weiße Haus räumen wird.
Sie sind privat öfter in den USA, oder?
Ja, mein Vater und meine Schwester leben dort. Normalerweise versuche ich immer, Anfang des Jahres rüberzufliegen, wenn Familien-Geburtstage anstehen. Aber 2019 war klar, dass das nicht gehen würde, weil die Dreharbeiten zu „Sörensen hat Angst“ anstanden. Dann hatte ich die Hoffnung, dass ich Ende des Jahres in die USA könnte, aber das fiel aus bekannten Gründen dann auch flach. Wenn es irgendwann wieder möglich ist, sicher zu reisen, habe ich fest vor, meinen Papa in Kalifornien zu besuchen.
In Kalifornien scheint die Sonne. Im friesische Katenbüll, wo „Sörensen hat Angst“ spielt, gibt es Schmuddelwetter in allen Variationen. Brauchen Sie das, um in Ihrem Element zu sein?
Für unsere Geschichte war das perfekt und für die Bilder mag ich das total gerne, aber privat könnte ich gut drauf verzichten und hätte gerade nichts gegen Strand und Sonne. In der Romanvorlage von Sven Stricker regnet es gefühlt in jeder Szene. Das kann man beim Film natürlich nicht umsetzen, weil es zu teuer wäre. Aber dass in Katenbüll auf jeden Fall kein Wohlfühl-Postkartenwetter herrschen sollte, war von vornerein klar. Es ging also schön düster, dreckig und matschig am Set zu.
Das klingt nach einer Herausforderung.
Ein Tag war in der Tat wettertechnisch problematisch. Aber eher im gegenteiligen Sinn. Da sagte mein Kameramann Kristian Leschner vorher noch: „Regen, Schnee, Sturm – ich nehme alles. Hauptsache, die Sonne scheint nicht.“ Und was hatten wir an dem Tag? Strahlend blauen Himmel mit durchziehenden Wolken, die ständig das Licht veränderten, dazu enormen Wind, so dass wir Schauspieler mit durchwehten Haaren gefühlt im Orkan standen. Es war außerdem saukalt, man konnte sich kaum aufs Spielen konzentrieren. Im Bild sieht das aber aus wie herrlicher Hochsommer. Das ist dann die Höchststrafe.
Half das Adrenalin über die Kälte weg?
Da ist was dran. Als Schauspieler friere ich normalerweise ganz schnell; ich krieg rasch kalte Füße. Aber als Regisseur war ich anscheinend gleichzeitig so unter Anspannung, dass mir am Set nie kalt war. Selbst der Garderobiere und der Maskenbildnerin, mit denen ich schon viele Jahre zusammenarbeite, ist das aufgefallen. Sonst bin ich immer das Weichei, das im April noch fragt: „Könnte ich bitte Wärmesohlen haben? Ich bräuchte bitte auch Moonboots und warme Unterwäsche!“ Aber diesmal stand ich hemdsärmelig in der Kulisse und brauchte nichts davon. Der enorme Druck hat sich irgendwie in Energie umgewandelt.
Fürchten Sie mit Ihrem Regie-Debüt zu scheitern?
Ich war in der glücklichen Lage, dass ich wusste, wenn das jetzt gar nicht gut wird, dann werden die Leute sagen: „Soll er mal lieber Schauspieler bleiben.“ Ich habe also noch meinen Beruf, etwas, auf dass ich zurückfallen kann. Klar, man kriegt als Regisseur eine Stange Geld an die Hand und ist verantwortlich für das künstlerische Produkt und für Arbeitsplätze. Ich habe aber immer versucht, diesen Gedanken wegzuschieben und mir gesagt: Ich will ja nur das umsetzen und einfangen, was in dem Buch steht. Und ich wusste: Ich habe ein gutes Buch, ich habe ein großartiges Ensemble und ein extrem gutes und sehr eingespieltes Team. Komplett scheitern konnte ich also eigentlich gar nicht.
Der erste Arbeitstag im neuen Polizeirevier beginnt für Sörensen mit Überforderung. Kennen Sie das auch von Ihrem Job?
Ja, aber nicht so krass wie Sörensen. Der erste Drehtag ist für viele Schauspieler mit Angst behaftet. Auch Menschen aus unserem Team haben mir gesagt, es sei immer furchtbar für sie, weil man nicht weiß, was von einem erwartet wird und ob man das alles so drauf hat, wie die Leute das fordern. Diesmal war bei uns allerdings relativ wenig davon zu spüren. Ich hatte mir das Team zum Großteil ja bei Arne Feldhusen (u.a. Regisseur „Tatortreiniger“, Anm. d. Red.) ausgeborgt. Ich kannte alle gut und wusste, dass das auch menschlich funktioniert. Das sind ja auch Freundschaften, wenn man so viele Jahre miteinander arbeitet. Diese Kontinuität hat man sonst eigentlich nur im Theater. Und deswegen konnte ich überhaupt so selbstsicher an die Aufgabe herangehen.
Sörensen ist ein Kommissar mit Angststörung. Was war Ihnen bei der Umsetzung wichtig?
Die Balance zwischen Humor und Tragik. Sörensen geht auch mit seiner Angsterkrankung mit Humor um und dagegen an. Und irgendwann übernimmt dann die Härte des Ortes und dieser besondere Kriminalfall und drückt die Angst zur Seite. Das ist auch Teil des Krankheitsbildes: Wenn man der Angst ganz viel Raum gibt, dann nimmt sie einen komplett in Anspruch, und man traut sich gar nicht mehr raus. Aber wenn man funktionieren muss, handeln muss, dann schafft man es ganz gut, diese Angst zur Seite zu drücken.
Haben Sie eine Beziehung zu der Erkrankung?
Ich habe natürlich viel recherchiert und der Autor Sven Stricker ist aus eigenen Erfahrungen sehr vertraut damit. Wie sich das Krankheitsbild darstellt, konnten wir in Gesprächen zusammen erarbeiten: Dass man eine Verzerrung der Akustik hat, dass man Sachen deutlicher wahrnimmt, als sie eigentlich sind, die Körperlichkeit mit den krampfigen, schwitzigen Händen – das alles habe ich versucht umzusetzen. Ich bin froh, dass Sven findet, ich hätte es mit Sörensen ganz gut getroffen. Es war uns wichtig, dass Leute, die darunter leiden, sagen: „Ja, genauso fühlt sich das an.“
Mit seinen inneren Zuständen und seiner Sehnsucht nach Ruhe sei Ihnen Sörensen auch persönlich sehr vertraut, sagten Sie in einem Interview. Wie meinen Sie das?
Ich konnte sehr gut nachvollziehen, warum es ihn in einen kleinen Ort zieht. Auch bei mir gibt es die Sehnsucht, aus dem Trubel der Großstadt wegzuziehen. Ich habe oft das Bedürfnis nach Ruhe und frischer Luft. Ich lebe ja schon sehr lange in Berlin. Es gibt dort so wahnsinnig viel Input: Man ist ständig mit Werbung konfrontiert, mit vielen Fahrzeugen und anderen Menschen. Vielleicht hat es auch mit dem Alter zu tun, aber ich denke dann oft, wie schön es doch wäre, einfach mal aufs Meer zu gucken, auf einen Deich oder ein pinkelndes Schaf – und nicht auf eine Verkehrskreuzung.
Wie ländlich darf’s denn sein?
Ich habe das Problem, dass ich nach einer Aufführung im Hamburger Schauspielhaus durch Schüsse auf der Bühne einen Tinnitus im Ohr davon getragen habe. Die komplette Ruhe kann ich also gar nicht mehr gut ertragen, weil das Piepen dann wieder lauter wird. Wenn man mich dauerhaft in Schweden im Wald oder in der Wüste aussetzen würde, würde mir tatsächlich auch was fehlen. Aber in der Stadt hast du immer einen Grundpegel von unangenehmen Geräuschen. Irgendwo dazwischen würde ich mich ansiedeln. Es muss aber nicht unbedingt Katenbüll sein. Vielleicht eher so ein Vorort wie Reinbek. Ich könnte mir auch durchaus vorstellen, irgendwann wieder nach Hamburg oder ans Meer zu ziehen.
Sörensen ist Veganer. Wie halten Sie es damit?
Ich muss zugeben, dass die Figur in diesem Punkt mit mir gar nichts zu tun hat. Ich esse wahnsinnig gerne Fleisch. Ich versuche das aber zu reduzieren. Ich schaff’s bei Aufschnitt, aber ganz auf Fleisch zu verzichten, das schaffe ich leider nicht. Wenn ich mir ein Gemüsegericht mache, habe ich wirklich noch dieses Gefühl: Ja, aber wo ist denn jetzt das Essen? Wenn ich vorm Gemüseregal im Supermarkt stehe, fällt mir immer nicht ein, was ich kochen soll; an der Fleischertheke weiß ich ganz genau, worauf ich Lust habe. Es ist leider so, dass ich da noch nicht so weit bin. Ich weiß, dass es eine Umweltsünde ist und im wahrsten Sinne des Wortes eine Schweinerei, und deshalb versuche ich das auch zu reduzieren. Aber ich könnte im Moment nicht ganz drauf verzichten.
Bestellen Sie Ihren Latte macchiato wie Sörensen auch mit etlichen Sonderwünschen oder sind Sie da eher unkompliziert?
Da gibt es tatsächlich eine Deckungsgleichheit, weil ich gerne laktosefreie Milch trinke. Aber nicht, weil ich Kuhmilch nicht vertragen könnte, sondern weil mir der Bauch blubbert, wenn ich zu viel normale warme Milch trinke. Insofern ist es auch gerade am Set für die Kollegen vom Ton netter, wenn ich darauf verzichte.
Sörensen hat eine Lovestory mit dem Hund Cord. Wie ist es um Ihre Hundeliebe bestellt?
Beim Film wird ja viel gelogen, aber die Liebe war echt. Ich hatte mir den Cord eigentlich anders vorgestellt, eher so in Richtung Labrador. Aber der Tiertrainer Marco Heyse, der uns für den „Tatortreiniger“ unter anderem schon mal einen Fuchs und ein Wildschwein gebracht hatte, sagte nach Lesen des Drehbuches: „Ich habe den perfekten Hund für dich. Der kann noch nichts, aber der ist ganz schlau und passt zu Dir.“ Ich bin zum Üben zu seinem Hof im Wald gefahren, auf dem er mit seinen Tieren lebt. Ich habe einen Tag mit Cord verbracht, so dass er sich schon mal an mich und meinen Geruch gewöhnen konnte. Ich weiß, wenn ich einen anderen Beruf hätte und woanders leben würde, hätte ich ihn sofort adoptiert. Ich finde es als Schauspieler, der viel unterwegs ist, aber einfach schwierig und Tiere in der Großstadt sowieso total blödsinnig.
Also doch Reinbek.
Ja, dann doch Reinbek, wo man im Sachsenwald Gassi gehen kann.
Würden Sie sich wünschen, dass Sörensen in Serie geht?
Nein. Ein Regiejob bedeutet mindestens anderthalb Jahre Arbeit. Wenn daraus eine Krimireihe würde, könnte ich die nächsten Jahre keine anderen Rollen annehmen oder anderen Projekte machen. Ich wäre dann wieder lange auf eine Rolle festgelegt, dabei bin ich gerade so froh, dass ich ein bisschen aus dieser Festlegung rauskomme und neue Sachen ausprobieren kann. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir noch mal einen zweiten Film machen, um zu erzählen, was aus Sörensen, Jennifer und Malte geworden ist.
Und wenn Autorin Ingrid Lausund Ihnen die Wiederbelebung vom „Tatortreiniger“ vorschlagen würde, wären Sie auch nicht begeistert?
Die Frage stellt sich nicht. Ich kenne die Autorin gut, sie ist sehr konsequent. Sie hatte das Gefühl, sich im Kreis zu drehen und Angst davor, sich zu wiederholen, das wollte sie nicht. Wir haben dann zu dritt mit dem Regisseur entschieden, die Serie zu beenden. Deshalb glaube ich auch nicht, dass es da noch mal eine Neuauflage gibt. Ich vermisse den Schotty aber schon, so wie einen guten Freund. Er ist gefühlt auch nicht tot. Ich sage immer, der ist nach Australien ausgewandert, es ist sehr schwer, an ihn ranzukommen, aber irgendwo da unten gibt es ihn noch.
„Sörensen hat Angst“, 20. Januar 20.45 Uhr, Das Erste und ab sofort in der ARD-Mediathek