Interview„Promis auf der Palme“: Wie ticken eigentlich die Anwälte der Stars?

"Promis auf der Palme": Wie ticken eigentlich die Anwälte der Stars?
"Promis auf der Palme": Wie ticken eigentlich die Anwälte der Stars?

DELBO ANDREA/Shutterstock

Paul VerhobenPaul Verhoben | 02.05.2021, 20:40 Uhr

Viele Prominente machen Schlagzeilen mit privaten Geschichten. Doch nicht jede Story ist gewünscht. Dann sorgen Anwälte für, dass die Geschichten wieder aus dem Netz verschwinden.

Einer von denen ist der renommierte Berliner Anwalt Christian-Oliver Moser. Er kommt immer dann ins Spiel, wenn irgendwas die Promis auf die Palme gebracht hat.

Die Schwerpunkte von Mosers Beruf liegen im Presserecht. Besonders erfahren ist der Jurist mit seiner Kanzlei im Bereich des Krisenmanagements, Markenrecht, Wettbewerbsrecht und der Vertragsberatung zu medienrechtlichen Themen. Und seine Klienten sind namhafte Prominente aus dem In- und Ausland.

klatsch-tratsch.de hat mit Moser gesprochen und um Aufklärung gebeten: Was ist bei Prominenten privat und was nicht? Ein äußerst interessanter Exkurs über manchen juristischen Zoff hinter den Kulissen, der der Öffentlichkeit zumeist verborgen bleibt.

"Promis auf der Palme": Wie ticken eigentlich die Anwälte der Stars?

© Irle Moser

Was macht ein Medienanwalt, beziehungsweise ein Presserechtler?

Da muss man unterscheiden. Es gibt meiner Wahrnehmung nach gar nicht so viele Presserechtler in Deutschland. Medienrechtler schon einige mehr, weil Medienrecht ein relativ weites Feld ist. Medienrecht umfasst zum Beispiel auch Urheberrecht und Rundfunkrecht. Wir reden hier über einen Teilbereich des Medienrechts: Das Presserecht. Das ist in Deutschland eine relativ überschaubare Gruppe von Juristen/Rechtsanwälten, die sich regelmäßig damit befassen. Hier gibt es die Besonderheit, dass man die Rechtsanwälte in zwei feste Gruppen einteilen kann. Es gibt auf der einen Seite die Verlagsvertreter, also diejenigen, die regelmäßig Verlage vertreten und auf der anderen Seite die Betroffenenvertreter. Wir reden hier maximal über zehn Kanzleien auf der einen und zehn Kanzleien auf der anderen Seite, die das tatsächlich täglich machen.

Klar, Presserecht ist kein Geheimnis, das ist auch nachlesbar. Da haben auch Kollegen, die das nicht täglich machen, durchaus auch mal gute Chancen, aber am Ende macht die praktische Erfahrung gerade in diesem Bereich schon viel aus. Es geht im Prinzip immer um die gleiche oder ähnliche Problematik, nämlich um die Zulässigkeit von Medienberichterstattung, die entweder schon erschienen ist oder noch erscheinen wird. Wie gehe ich juristisch im Vorfeld einer Berichterstattung mit Recherchen um? Welche Möglichkeiten habe ich, eine Berichterstattung auf Verlagsseite so zu gestalten, so dass diese nicht angreifbar ist? Welche Möglichkeiten habe ich jetzt wiederum auf der anderen Seite, um eine Berichterstattung anzugreifen oder vielleicht zu verhindern? Das Beratungsspektrum ist weit gefasst. Wenn ich jetzt von meiner Person spreche, geht es sehr häufig auch in Richtung Reputations- oder Krisenmanagement. Gerade im Bereich der Beratung von Unternehmen ist es häufig so, dass man da durchaus auch strategischer denkt als bei Prominenten und bestimmte Dinge eben versucht zu verhindern, soweit das überhaupt möglich ist. Oder man auch versucht – ähnlich wie ein PR-Berater- die Berichterstattung in eine bestimmte Richtung zu lenken, allerdings mit juristischen Mitteln.

Die „Bild“-Zeitung hat Herrn Boateng ja eine Plattform gegeben. Trägt Boateng, als einflussreicher Prominenter, hier nicht auch eine Mitschuld an dem verheerenden Ausgang der Geschichte?

Sagen wir mal so: Tatsächlich muss man sich schon die Frage stellen, was ihn dazu getrieben hat, derartige Dinge öffentlich zu machen. Gut, im Nachhinein ist man immer schlauer, ich glaube, im Nachhinein ist ihm das auch sehr bewusst. Ich berate auch meine Mandanten in der Regel dahingehend, dass ich sage, genau das sollte man nicht machen. Man sollte grundsätzlich einfach nicht mit solchen Themen an die Öffentlichkeit gehen. Unabhängig von der Frage, was bislang daraus geworden ist – was natürlich dramatisch ist – ist eine sogenannte Selbstöffnung aus juristischer Sicht immer schwierig. Denn letztendlich – und das ist das, womit die Medien, insbesondere auch die „Bild“, immer spielen – eröffnet man durch diese Selbstöffnung auch einen öffentlichen Schlagabtausch.

Das ist das, was von der „Bild“-Zeitung gerne auch professionell gesponnen wird, indem man sagt, erst kommt der eine zu Wort, dann „schlägt der andere zurück“. Das findet, wenn die Geschichte gut ist, teilweise vier, fünf Tage lang im Blatt statt. Jetzt spricht er, jetzt spricht sie, „die Wahrheit dahinter“ und so weiter. Solche Themen kann man dann eben auch beliebig in die Länge ziehen und damit die Zeitung füllen.

Was ich aber besonders skandalös im Fall Boateng finde, ist der Umstand, dass die Darstellung zunächst so einseitig war. Und daran trägt die „Bild“ eine erhebliche Verantwortung. Dass man offensichtlich berichtet hat, ohne sich ernsthaft mit der anderen Seite zu befassen oder diese zu Wort kommen zu lassen, ist ein Unding. Ob Frau Lenhardt reden durfte oder nicht – es gab ja dann auch nach ihrem Tod eine Berichterstattung, dass sie sich wohl juristisch zu verpflichtet hatte nichts zu sagen – ist dabei meines Erachtens wegen der Schwere der einseitigen Vorwürfe nebensächlich. Dann hätte man eben notfalls auf die Geschichte ganz verzichten müssen.

Aber wir müssen uns das da auch nichts vormachen: Jemand wie Jerome Boateng, der eh überall Gehör findet, im Gegensatz zu einer Frau Lenhardt – und das mit solchen massiven Vorwürfen, wäre auch von einer anderen Zeitung oder Zeitschrift gedruckt worden. Insgesamt halte ich hier das Verhalten der zuständigen Journalisten trotzdem für sehr verantwortungslos, weil dieses Thema ausschließlich von dem Gedanken an eine riesige Boulevard-Geschichte getrieben war. Ein bisschen Schlammschlacht, ein bisschen Sex und Fußball, das ganze gespickt mit einem bekannten Fußball-Nationalspieler und einer attraktiven jungen Frau; da ist sozusagen alles dabei, was der Boulevard braucht. So eine Geschichte will man nicht einfach liegen lassen.

Die eine Seite sagt, es ist die Verantwortung der Zeitung, auf der anderen Seite wäre Boateng ja zu einer anderen Zeitung gegangen, wenn „Bild“ abgelehnt hätte.

Natürlich hätte Herr Boateng auch zu einem anderen Medium gehen können. Ansonsten kenne ich die Vorgänge zu wenig, um zu beurteilen, wie es hier genau passiert ist. Aus anderen Fällen weiß ich aber, dass die „Bild“-Zeitung in Trennungssituationen von Prominenten auf diese zugegangen ist und gesagt hat „wir haben erfahren, dass Ihr getrennt seid, was ist da genau passiert? Wir bringen die Geschichte so oder so, jetzt hast du die Möglichkeit zu reden und deine Version der Geschichte zu erzählen“. Ich kann das jetzt nicht für den konkreten Fall bestätigen, weil ich ihn nicht beraten habe, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Herr Boateng oder einer seiner Berater die „Bild“-Zeitung selbst angerufen haben. Auch das kann theoretisch passieren, aber es wäre zumindest ungewöhnlich. Wenn er es getan hätte, dann hätte er natürlich auch eine Mitverantwortung und hat das auch bewusst getan, weil er natürlich weiß, dass er mit der BILD ein Forum erreicht, was ihm kein anderes Medium in der Form bieten kann. Einfach von der Größe, von der Reichweite.

Ihr Berufskollege Prof. Schertz nannte die Berichterstattung des Blattes einen „massiven Tabubruch“.

Da muss ich ihm beipflichten, denn der Tabubruch besteht in der Einseitigkeit der Berichterstattung zu einem derart sensiblen Thema. Klar kann es immer passieren, dass Journalisten jemanden aus der Eile heraus nicht erreichen und wir deswegen doch nur die eine Seite hören, aber es ist eine Hauptpflicht der Journalisten, gerade bei besonders gravierenden und zutiefst persönlichen Vorwürfen beide Seiten erst einmal zu Wort kommen zu lassen. Das ist hier offensichtlich nicht passiert oder durfte nicht passieren, aus welchen Gründen auch immer. Aber Tatsache ist, dass man dann den Artikel so nicht hätte veröffentlichen dürfen.

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Sind Anwälte nicht die einzigen, die im Namen ihrer Mandanten die Gegenseite auch einschüchtern können, ohne dafür belangt zu werden?

Also erst einmal ist es natürlich so, dass Anwälte ausschließlich im Auftrag ihrer Mandanten handeln. Sie sind sogar dazu verpflichtet – das muss man auch mal fairerweise sagen – ausschließlich die Interessen desjenigen zu vertreten, der sie beauftragt hat!

Wenn ich als Anwalt ein Mandat annehme, bin ich einseitiger Interessenvertreter. Alles andere würde gegen Berufsregeln verstoßen – wenn ich also für die andere Seite, gegen die ich vorgehe, in irgendeiner Form Partei ergreife, wäre das problematisch. Man kann als Anwalt natürlich immer sagen „Ich nehme das Mandat nicht an“. Das ist eine Entscheidung, die muss man mit sich selbst ausmachen, das ist eine Gewissensentscheidung. Ich persönlich habe die zum Beispiel schon häufiger getroffen.

Clankriminelle, die natürlich auch ständig in den Medien sind, lehne ich z.B. grundsätzlich ab. Aber wenn ich mich dazu entscheide, ein Mandat anzunehmen, muss ich dieses letztendlich auch als Anwalt mit aller Ernsthaftigkeit und Sorgfalt zu Ende bringen. Das ist halt der Punkt: Ich bin nur der Vertreter der jeweiligen Person. Ich kann sie natürlich beraten, ich kann überlegen, berate ich da richtig oder falsch, aber die Verantwortung den Anwälten für vermeintliche Einschüchterungen aufzulegen greift deutlich zu kurz. Wenn ein Mandant zu mir kommt und sagt „Bitte sorge unbedingt dafür, dass z.B bestimmte Behauptungen über mich nicht mehr aufgestellt werden“, bin ich als Anwalt grundsätzlich verpflichtet, alle Mittel zu ergreifen, die uns der Rechtsstaat zur Verfügung stellt, um diese Aufgabe zu erfüllen.

Dass der Hinweis auf rechtliche Konsequenzen auf Dritte einschüchternd wirkt, mag zwar sein, aber ist häufig auch genau das, was die Mandanten von uns erwarten und was leider auch häufig notwendig ist, um das gewünschte Ziel zu erreichen.

Lernen die Anwälte aus dem Fall etwas?

Sagen wir mal so: Jeder Anwalt arbeitet etwas anders. Was heißt hier „die Anwälte“, da wehre ich mich so ein bisschen dagegen, weil jeder Anwalt berät letztlich unterschiedlich. Nehmen wir jetzt mal den presserechtlichen Bereich – innerhalb des Spektrums, der hier bekannten Anwälte gibt es ja auch unterschiedliche Ansätze. Ich behaupte mal, Mandanten, die sich mit dem Bereich etwas auskennen, gehen deswegen auch bewusst zu bestimmten Anwälten. Umgekehrt ist ja auch jedes Mandat anders. Wenn die Mandantin oder der Mandant kommt und sagt: „Mach alles geltend, was geht, hau drauf!“ dann kann ich als Anwalt immer noch sagen, dass ich das Mandat so nicht annehmen kann oder will. Aber wenn ich es annehme, dann muss ich es auch innerhalb des rechtlich Möglichen machen.

Warum darf man nicht über schwangere Prominente berichten, wenn ich die ja quasi so in der Shoppingmall sehen kann?

Shoppingcenter ist nicht automatisch „Öffentlichkeit“ im presserechtlichen Sinne. Am Beispiel Schwangerschaft lässt sich das ganz gut erklären. Wenn die betreffende Prominente ihr Privatleben nicht selbst der medialen Öffentlichkeit geöffnet hat und bei privaten Themen gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen ist, stellt das presserechtlich die entscheidende Weichenstellung dar. Das gilt heutzutage nicht nur für eine Öffnung in den klassischen Medien sondern insbesondere auch für Instagram und die verschiedenen anderen sozialen Medien. Das heißt für diejenige, die – egal wie prominent sie ist – z.B. nie eine Homestory gemacht hat oder niemals ihren Babybauch öffentlich postet oder mit Babybauch über einen roten Teppich flaniert, gilt auch der Schutz der Privatsphäre.

Der Umstand, dass jemand schwanger ist, ist zunächst mal höchst privat und der Umstand, dass die Frau mit einem Babybauch durch die Straßen läuft, ist dem Umstand geschuldet, dass sie sich als Schwangere im Alltagsleben natürlich nicht verstecken muss.

Die Medien-Öffentlichkeit ist auch nicht die gleiche Öffentlichkeit, wie die Öffentlichkeit auf der Straße. Vielleicht wird sie da auch gar nicht erkannt! Viele Prominente machen das ganz bewusst, dass sie sich eine Mütze über den Kopf ziehen, damit sie nicht gesehen werden. Der Umstand, dass sie sich natürlich öffentlich bewegen darf und sich nicht Zuhause einschließen muss, führt ja eben noch nicht zu dieser Selbstöffnung, die ich gerade beschrieben habe. Die kommt erst dann zum Tragen, wenn sie sich ganz bewusst in der oben beschriebenen Medien-Öffentlichkeit bewegt hat.

Das Thema der Hochzeit von Prominenten ist auch spannend und kam in meiner Praxis häufiger vor. Da muss man unterscheiden zwischen dem „ob“ und „wie“. Auch bei Prominenten, die ihr Privatleben grundsätzlich stark schützen, kommt es immer darauf an „wie habe ich meine Hochzeit gefeiert?“ Habe ich eine große öffentliche Feier mit hunderten Gästen gemacht und waren unter Umständen vielleicht sogar Journalisten dabei? Dann ist natürlich auch wieder mehr Selbstöffnung dabei.

Nehmen wir mal den Fall an, die haben klein geheiratet, was im Moment ja wahrscheinlich eh erforderlich war und eben nichts dazu veröffentlicht. Dann glaube ich schon, laut meiner juristischen Einschätzung, dass über das ob, also dass sie geheiratet haben, berichtet werden darf. Aber wenn man dann berichtet „die haben da und da geheiratet und so viele Gäste waren da“, dann gleitet das in private Details ab – und das ist häufig der Fall – dann ist es wieder unzulässig. Da bin ich auch sehr gefestigt in meiner Auffassung. Da muss man differenzieren, wie tief geht die Berichterstattung. Dass Medien mitteilen, dass zwei prominente Personen geheiratet haben, halte ich für durchaus zulässig. Doch diese eigentlich magere Information erschöpft sich eben auch in der Regel nicht da drin. Gerade der Boulevard lebt ja nicht von so einer Nachricht wie „Soundso haben geheiratet.“ Das wird ja alles ausgeschmückt.

Ab wann ist bei Prominenten etwas Privates wirklich privat?

Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es wird ja immer gerne davon gesprochen, die Pressefreiheit werde beschnitten. Was im Presserecht passiert, ist stets eine Abwägung zwischen den beiden Grundrechten der Pressefreiheit/ Meinungsfreiheit auf der einen Seite und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf der anderen Seite. Das ist mir immer ganz wichtig, auch wenn es so juristisch klingt, dass dies immer ein Abwägungsprozess ist. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht – worüber wir hier gerade sprechen – ist das, was jeder Mensch erstmal hat in Deutschland. Und das ist ein bisschen wie eine Zwiebel. Wir haben einen normalerweise absolut geschützten Kernbereich, das ist die Intimsphäre. Und dann umhüllt sich das mit weiteren Schutzschichten nach außen. Es geht dann weiter mit dem engsten privaten Bereich, sowas wie familiäre Beziehungen, Kindheitserlebnisse, Traumata, Krankheiten.

Also Erfahrungen, die nicht der klassischen Intimsphäre zuzuordnen sind, aber trotzdem aus dem privaten Bereich sind. Das ist wieder dieses Bild mit der Zwiebel: Es geht in die nächste Schicht.

Wenn es um das berufliche Wirken geht, spricht man von der sogenannten Sozialsphäre. Das ist der äußere Bereich der Zwiebel. Die ist im Vergleich zur Privatsphäre kaum geschützt – nur bei Anprangerungen oder Ähnlichem. Da gibt es für die Presse deutlich mehr Spielraum zu berichten als über die Privatsphäre. Das aber ist der entscheidende Punkt: Diesen Abwägungsvorgang muss man sehen. Deshalb kann man die Frage, wo es anfängt und wo es aufhört, nicht so leicht beantworten. Das hängt auch immer sehr stark davon ab, wie sich die Prominenten verhalten. Und wie weit geht es um eine Berichterstattung von öffentlichem Interesse.

Ein schönes Beispiel ist hier der Fall von Caroline von Monaco, der auch viel in der europäischen Rechtsprechung bewirkt hat. Es ging um ein Urlaubsfoto, das offensichtlich ein Paparazzi-Foto war – ohne Einwilligung geschossen. Ein Urlaubsfoto ist grundsätzlich geschützt, solange man nicht die ganze Zeit Selfies von sich postet. In ihrem Fall war es auch wieder eine Auf-der-Straße-Situation. Das Foto wurde zweimal veröffentlicht. Einmal mit einem Titel wie: „Hier sehen wir Caroline in den Straßen von St. Moritz, wie sie ihren Urlaub genießt und durch die Straßen wandelt.“ Das ist unzulässig, um das Ergebnis mal vorwegzunehmen. Dasselbe Foto mit der Unterschrift „Während ihr Vater Rainier im Sterben liegt, läuft sie scheinbar gut gelaunt durch einen Urlaubsort.“ – das war zulässig und das zeigt auch so ein bisschen, warum man das nicht so absolut sagen kann, wann etwas zulässig ist und wann nicht.

Es geht auch immer um den Kontext und die Frage: Ist es ein Ereignis, das einem gewissen öffentlichen Ereignis geschuldet ist oder eben nicht? Durch den Social-Media-Wahn – wie man ihn teilweise leider echt nennen muss – kommt es auch immer wieder dazu, dass er viele – gerade Prominente – dazu verführt, extrem viel öffentlich zu posten. Gerade weil sie dort vermeintlich die Deutungshoheit über die Darstellung der eigenen Person haben. Das ist natürlich ganz anders, als wenn sie ein Kamerateam bei sich haben, das eine Homestory über sie dreht. Da können sie sich so darstellen, wie sie es wollen. Das ist einerseits verständlich und für viele Promis auch sicher wichtig, dass sie es tun – aus Marketingsicht etc. Aber man muss auch umgekehrt wissen, dass man damit sehr viel von seinem Persönlichkeitsrecht abgibt.

Manche Medien preisen die Anwalts-Abmahnungen in ihrer Berichterstattung ein. Dagegen gibt es dann kein wirkliches Mittel und es wird auch künftig immer so weitergehen können. Da sind Sie dann also doch machtlos.

Sie sagen es! Einerseits heißt es immer „die bösen Anwälte“ und andererseits ist es natürlich so, dass die Medien von diversen Anwälten gut beraten sind und die sagen natürlich auch: Das ist ein Risiko! Du wirst abgemahnt und zahlst, wenn es schlecht läuft 1.500 – 2.000 Euro für eine Unterlassung. Dann musst du es irgendwann löschen und darfst es auch nicht mehr bringen, aber du hast es erstmal in deinem Blatt oder auf deiner Internetseite, aber hast dann jedenfalls deine Reichweite erhalten der so gar noch ausgebaut! Was danach verschwindet, wird von den meisten gar nicht mehr wahrgenommen.

Ich bin ja derjenige, der sowas häufiger mitbekommt, weil ich in meinem Beruf auf alte Artikel und Archive zurückgreifen muss. Ein Beispiel: Wenn man sich mal das Archiv von „Bunte“ ansieht: Es ist ein Wahnsinn, wieviel da mittlerweile geschwärzt ist – sogar auf der Titelseite. Das ist nur ein Beispiel, aber in der Regel machen die das mit vollem Bewusstsein, dass sie sich hier eine Unterlassung einfangen können. Das ist denen aber egal, denn Titelseite ist Titelseite und die Leute kaufen es erst einmal. Ob es dann nach drei Wochen gelöscht wird, interessiert auch keinen mehr, denn da ist die Zeitschrift schon verkauft.

Wir kennen den Fall eines bekannten Musikers, der hat kritischen Bemerkungen seines Entdeckers über sich in einer TV-Show abmahnen lassen. Wieso ist das möglich, wenn die Aussagen, doch der Wahrheit entsprechen. Geht das nicht zu weit?

Man muss zwei Dinge sehen: Unwahre Behauptungen sind sowieso unzulässig. Es sei denn, sie sind so belanglos … Das heißt aber nicht, dass man alles andere schreiben kann, nur weil es wahr ist – das sagen ja ganz oft Journalisten. Ganz so einfach ist das nämlich nicht.

Mir ist der Fall zwar nicht bekannt, aber wir haben hier zum einen die wieder die Privatsphäre: Beispielsweise wenn er sich selbst gar nicht zum Thema geöffnet hat oder seit langem nicht darüber gesprochen hat. Die Rechtsprechung erkennt das durchaus an, dass, wenn sich jemand vielleicht mal früher anders verhalten hat – aus welchen Gründen auch immer – aber ab einem bestimmten Zeitpunkt für sich beschlossen hat, dass er diese Öffentlichkeit nicht mehr möchte und eine klare Zäsur gesetzt hat und sich quasi ins Private zurückgezogen hat und vielleicht nur nach außen hin nur noch beruflich aktiv ist, dann hat er natürlich Schutz.

Andererseits können solche Aussagen auch unzulässig sein, weil sie diffamierend sind – unabhängig vom Wahrheitsgehalt. Da muss man dann natürlich auch vorsichtig sein, weil es meistens eine Vermengung ist: Wirklich diffamierende Aussagen sind meistens keine Tatsachenbehauptungen, sondern Wertungen und Meinungen.

Das heißt also, auch wenn eine Ex öffentlich Missbrauchs-Anschuldigungen über ihren ehemaligen Partner im Netz verbreitet, ist das höchst justiziabel? Auch wenn sie wahr sein könnten?

Ja, das ist leider so. Auch wenn ich es im vorliegenden Fall im Hinblick auf die gesellschaftlich sehr wichtige MeToo-Debatte für sehr wichtig erachte, dass eine Aufklärung erfolgt. Allerdings gilt im strafrechtliche relevanten Bereich auch immer noch der Grundsatz, der Unschuldsvermutung. Es kommt immer auf den beschriebenen Abwägungsprozess an und die Vorwürfe spielen sich hier ja im Bereich der Intimsphäre ab.

Wenn ich über mich Sachen im Netz finde die mir nicht gefallen – Texte der Fotos oder Videos. Was kann ich tun?

Grundsätzlich habe ich da alle juristischen Möglichkeiten – zumindest in der Theorie. Das Problem im Netz ist die Anonymität. Es ist zum Teil sehr schwer herauszufinden, wer denn der Verfasser ist, denn die meisten verwenden keine Klarnamen und wenn, dann weiß man ja nicht sofort, ob der überhaupt stimmt.

Wenn ich gegen die einzelnen Verfasser vorgehen möchte, dann kann ich auf halbwegs seriösen Plattformen beim sogenannten “Notice and Take down”-Verfahren die Inhalte melden und sagen, dass da eine Rechtsverletzung stattfindet. Dann müssen die das überprüfen und das machen die großen Plattformen auch. Allerdings mit einem viel zu langen Vorlauf und es dauert Ewigkeiten, bis Google mal reagiert. Ich habe da teilweise auch Bedenken, dass da wirklich Leute sitzen, die wissen, was sie tun. Das liegt daran, dass sie nicht diese juristische Ausbildung haben, sondern da sitzen oft Menschen, die anhand von irgendwelchen vorgegebenen Guidelines entscheiden, was teilweise ganz schön schwierig ist. Sie haben zumindest eine Art Beschwerdemanagement vorgeschaltet und dann kommt es irgendwann zur Löschung.

Bei Plattformen wie „Telegram“, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, dass die User dort nichts zu befürchten haben und alle geschützt sind usw. wird es schwer. Das ist dann ein praktisches und kein juristisches Problem. In der Theorie habe ich Ansprüche, aber wenn es sich um eine kleine Plattform handelt, bei der der Server beispielsweise in Russland oder den USA steht, dann habe ich kaum eine Möglichkeit, außer ich habe viel Geld zur Verfügung, um solche Themen anzugehen.

Wenn ich die Leistung eines Künstlers scheiße finde, dann darf ich das doch auch öffentlich im Netz äußern?

Wenn ich einen Künstler kritisiere, beispielsweise einen Sänger, weil ich ein Lied schlecht finde und sage, die Stimme ist mies, dann ist das juristisch absolut legitim und nicht angreifbar. Da wird kein Gericht in Deutschland etwas sagen. Kritik muss man, wenn man sich im Bereich der Sozialsphäre befindet – also beim beruflichen Wirken – hinnehmen.

Vielleicht auch ein älteres Beispiel aus der Wirtschaftsberichterstattung: Da wurde öffentlich in einer Zeitung der Geschäftsführer einer Gesellschaft als Versager bezeichnet. Er hat sich furchtbar darüber aufgeregt. Aber solange ich das Wort „Versager“ begründen kann und es nicht darum geht, jemanden einfach nur zu beleidigen, dann ist das zulässig. Die Fakten müssen stimmen: Er ist ein Versager, denn die Zahlen, die er abgeliefert hat, sind nachweislich schlecht. Der Firma geht es – seit er Geschäftsführer ist – noch mieser als vorher. Wenn das dann stimmt, dann habe ich keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen.

Wenn aber jemand, dessen Privatsphäre geschützt ist und der sich noch nicht diesem Thema geöffnet hat, sagt: „Er ist ein Versager im Bett“ – um mal mit dem gleichen Begriff zu arbeiten – dann hat er jedes Recht, dagegen erfolgreich vorzugehen.