LegendenUS-Poplegende Huey Lewis: „Das Gehör ist scheiße, aber der Sex ist gut“

US-Poplegende Huey Lewis: „Das Gehör ist scheiße, aber der Sex ist gut“
US-Poplegende Huey Lewis: „Das Gehör ist scheiße, aber der Sex ist gut“

Foto: Deanne Fitzmaurice

Paul VerhobenPaul Verhoben | 05.03.2020, 21:55 Uhr

„Ich habe einen schlechten Tag“, begrüßt uns Sänger Huey Lewis (69) im Büro seiner Plattenfirma BMG in Berlin-Mitte. „Aber wir werden es schon irgendwie hinkriegen.“ Der Sänger leidet an der Menière-Krankheit, die mit Symptomen wie Gehörverlust und Tinnitus einhergeht. Wir sitzen direkt neben ihm, Mundablesen soll helfen.

Am linken Ohr sieht man das Kabel seiner Hörhilfe. Die Verständigung klappt dann doch den Umständen entsprechend gut, als er mit klatsch-tratsch.de-Reporterin Katja Schwemmers spricht. In die schwierige Situation begibt sich Lewis, weil er das neue Album „Weather“ von Huey Lewis And The News bewerben will. Es dürfte das letzte Werk der Band sein, die mit „The Power Of Love“ aus dem Film „Zurück in die Zukunft“ 1985 zu Weltruhm gelangte.

US-Poplegende Huey Lewis: „Das Gehör ist scheiße, aber der Sex ist gut“

Foto: Deanne Fitzmaurice

Mr. Lewis, was hören Sie, wenn ich jetzt mit Ihnen spreche?
Ich höre Sie sehr leise. Sprache ist für mich sehr viel einfacher zu hören als Musik. Tiefere Frequenzen werden von meinem linken Ohr, auf dem ich noch 20 Prozent Hörkraft besitze, völlig verzerrt. Anstelle eines Bassspiels höre ich dann lärmenden Krach. Selbst eine einzige Note erzeugt da schon ein Gewitter in meinen Ohren. Es ist geradezu ironisch, dass ich auf der Platte von „beautiful noise“ singe.

Die Platte hat auch nur sieben Songs.
Ja, weil ich nicht mehr singen konnte. Wir ließen sie eine Weile liegen, weil wir immer dachten, ich würde mich wieder erholen und noch ein paar Stücke mehr aufnehmen können.

Wann haben Sie festgestellt, dass Sie an der Menière-Krankheit leiden?
Die Diagnose bekam ich bereits 1987. Damals verlor ich das komplette Gehör auf dem rechten Ohr. Es fühlte sich plötzlich an, als hätte ich kontinuierlich Wasser in meinem Ohr. Die Ärzte sagten mir: „Gewöhnen Sie sich besser dran!“ Aber das ist natürlich schwer als Musiker.

Aber Sie haben sich dran gewöhnt.
Schon, es lies sich lange gut damit leben. Aber im Januar 2018 sollten wir dann ein Konzert in Dallas spielen. Ich war gerade auf dem Weg zur Bühne, als der Lärm losging. Es war wie Krieg in meinem Ohr! Ich ging trotzdem auf die Bühne, weil ich dachte, es würde besser werden. Aber als die Band loslegte, wurde es nur noch schlimmer – so als wären die Lautsprecher explodiert. Ich konnte mich weder selbst hören noch meine Tonlage finden. Es war ein Albtraum, die schlimmste Nacht meines Lebens.

Was hat die Krankheit mit Ihnen gemacht?
Die Zeit danach war tough. Ich lag monatelang im Bett. Ich hatte anfangs sogar Selbstmordgedanken. Aber meine Töchter halfen mir, aus dem Loch rauszukommen. Sie haben sich einfach um mich gekümmert und halfen mir zu realisieren, dass da viele Leute sind, die es noch übler erwischt hat als mich. Ich habe immer noch sehr viel, für dass ich dankbar sein kann. Egal, wie schwierig die Situation manchmal ist, ist es wichtig, dass ich das nicht vergesse.

Was haben Sie gegen die Krankheit unternommen?
Ich probierte sämtliche Therapien aus: Ich ließ mir Steroide in die Ohrtrommel injizieren, probierte Akupunktur, Chiropraktik, kraniosakrale Massagen. Ich änderte meine Essgewohnheiten: kein Salz, kein Koffein, keine Schokoladen mehr, nur noch organische Lebensmittel. Ich klapperte eine Klinik nach der anderen ab – aber Hilfe gab es nicht.

Wie geht es Ihnen heute?
Es schwankt ziemlich. Am heutigen Tag bin ich eine 2 auf einer Skala, die bis 10 geht. An einem guten Tag lieg ich bei fast 6, dann kann ich mit Bluetooth-Hörhilfe relativ okay hören. Vielleicht sogar singen. So genau weiß ich es nicht, weil es bisher nie lange genug stabil blieb, um es im Studio auszuprobieren. Einmal hatte ich sogar schon eins gebucht, doch bis die Jungs aus der Band eintrafen, hatte sich mein Gehör schon wieder verabschiedet. Aber da es schwankt, hoffe ich, dass sich mein Körper um das Problem kümmert und Selbstheilungskräfte aktiviert.

Was vermissen Sie am meisten von Ihrem alten Leben?
Nicht hören zu können, isoliert auf gewisse Weise, besonders in meinem Job. Ich vermisse die Kameradschaft innerhalb der Band, die es 40 Jahre gab. Dazu kommen die Schuldgefühle, die Jungs im Stich gelassen zu haben. Ich fühle mich immer noch schlecht deswegen.

Sie wohnen auf einer Ranch in Montana. Können Sie da runterkommen?
Oh ja. Ich gehe Fliegenfischen. Ich reite mein Pferd. Ich gehe wandern. Oder im Winter laufe ich Ski. Ich bin so viel draußen wie es geht. Wenn mein Gehör so schlecht ist wie heute, bin ich glücklicher, alleine zu seine. Ich genieße dann die Stille und muss mich nicht bemühen, hören zu können. Ich kann meine Hörhilfe rausnehmen und einfach auschecken. Das nimmt mir viel Stress und Druck. Das Alleinesein ist heutzutage eine neue Erfahrung für mich.

Singen Sie dennoch manchmal zu Hause?
Wenn mein Hören gut ist, versuche ich es zum Computer, um meine Stimmbänder in Form zu halten. Aber mit Band ist das noch mal eine andere Geschichte. Lautstärke ist der Teufel für mich.

Gibt es ein Lied, dass Sie gern mal wieder auflegen und genießen würden?
Ich hab seit zwei Jahren keine Musik mehr genossen! Aber es gibt einen Song, der auf meine Situation passt. Er heißt „Ain’t No Need In Crying“ von der Rance Allen Group. Es gibt Schlimmeres als mein Schicksal.

Hilft es trotzdem, darüber in der Öffentlichkeit zu sprechen?
Mir bleibt ja keine andere Wahl, wenn ich unsere neue Platte, auf die ich wirklich stolz bin, auf den Weg bringen will. Es kostet mich schon etwas Überwindung. Die Sache ist natürlich immer noch frustrierend, denn ich wünschte, ich könnte die neuen Songs live singen. Sie sind alle in der Tonlage für meine jetzige Stimme geschrieben. Es wäre einfach für mich, wenn ich die Musik nur hören könnte!

Beethoven war taub.
Aber der hatte auch keine Top-Ten-Hits.

Gehörverlust ist in Musikerkreisen dennoch gar nicht so selten. Haben Sie Unterstützung von Kollegen erhalten?
Von einigen. Ryan Adams hat Menière, aber sein Problem sind hauptsächlich Schwindel und Gleichgewichtsstörungen. Intensive Schübe davon hatte ich auch, als ich jünger war. Aber das hat sich zum Glück gebessert.

US-Poplegende Huey Lewis: „Das Gehör ist scheiße, aber der Sex ist gut“

Foto: Deanne Fitzmaurice

Ihre Platte klingt so gar nicht melancholisch: Sie singen über One-Night-Stands und „Pretty Girls“.
Mit meiner Libido ist ja auch noch alles okay. Das Gehör ist scheiße, aber der Sex ist gut!

Was bedeutet Ihnen der Song „The Power Of Love“?
Er war unser erster großer, internationaler Hit. Dass er im Film „Zurück in die Zukunft“ so prominent eingesetzt wurde, ermächtigte uns, überall auf Tour zu gehen. Von Asien über Australien bis nach Ost-Europa – jeder liebt das Lied. Und das Erste, was den meisten Menschen zu mir einfällt, ist heute noch: Marty McFly, Doc und der DeLorean.

Durch den Film sind Sie quasi unsterblich.
Der ist nicht totzukriegen. Und es ist schon cool, die Lieblingsband von Marty McFly zu sein. „Zurück in die Zukunft“ ist einer der größten Filme aller Zeiten. Es war vermutlich die glücklichste Fügung meines Lebens, als Regisseur Zemeckis nach einem Song für den Film fragte.

Wie kam es, dass Sie darin eine Cameo-Rolle übernahmen?
Zemeckis dachte, es wäre ein großer Spaß, wenn ich im Film zu sehen wäre, Ich habe es erst nicht verstanden und konnte der Idee gut widerstehen. Aber er meinte: „Wir machen einen Insider-Joke draus und werden dich verkleiden. Wir schreiben nicht mal mehr deinen Namen in den Abspann. Mal schauen, wem es auffällt.“ Also willigte ich ein und spielte für die sieben Sekunden der Szene den Juror beim Schülerwettbewerb, für den Marty aka Michael J. Fox „eine Spur zu laut“ ist.

Haben Sie noch Kontakt zu Michael J. Fox, der an Parkinson erkrankt ist?
Ja, er ist ein wundervoller Mensch. Er ist wirklich witzig, und das rund um die Uhr. Wir sehen uns immer bei den Reunion-Events von „Zurück in die Zukunft“. Es gibt ständig irgendwelche Zusammenkünfte. Oftmals auch einfach nur, weil Universal beschließt, wieder eine neue DVD zu veröffentlichen und wir dann TV-Shows machen. Zemeckis lädt dann gerne am Vorabend zum gemeinsamen Dinner ein. Wie gesagt: Es gibt viele Leute, denen es schlechter geht als mir. Ich verschwende keine Zeit darauf, mich selbst zu bemitleiden. Streichen Sie mich gerne durch auf der Liste von Leuten, die anderen Menschen leid tun müssen. Mir sind so viele glückliche Sachen im Leben passiert…

Zum Beispiel?
Als der Song „We Are The World“ von USA For Africa aufgenommen wurde, gab es noch eine glückliche Fügung: Prince tauchte nicht im Studio auf, um seine Zeile zu singen. Ich war froh. Denn so übernahm ich seinen Part. Es war ein unglaublicher Abend mit all den Legenden in einem Raum. Michael Jackson saß die ganze Session über neben mir. Er hatte alle Kniffe drauf, wenn es um die Aufnahme ging.

Sie waren später noch öfter als Schauspieler zu sehen, zum Beispiel 2000 im Film „Traumpaare“, für den Sie mit Gwyneth Paltrow das Duett „Cruisin“ einsangen.
Sie ist sehr talentiert, was Gesang betrifft. Gwyneth eigentlicher Plan war, Sängerin zu werden, bevor sie sich dem Schauspiel zuwendete. Mit ihr zu arbeiten war großartig. Sie kann es.

Haben Sie schon eine Ihrer Kerzen geordert?
Die, die nach Vagina duften? Davon habe ich gehört. Das ist merkwürdig, oder? Aber ich habe nicht vor, mir eine zu bestellen.

Sie werden im Juli 70. Haben Sie Pläne?
Viele! Wir haben ein neues Musical, das heißt wie einer unserer Hits: „The Heart Of Rock’n’Roll“. Es läuft sehr erfolgreich in San Diego, und wir wollen damit am Broadway durchstarten. Wir drehen außerdem eine Dokumentation über die Band. Ich habe einige Ideen für Fernsehprojekte. Und vermutlich werde ich meine Memoiren schreiben, dafür war vorher keine Zeit, weil wir ständig auf Tour waren. Der Schlüssel für mich ist, kreativ zu bleiben und sehr beschäftigt, damit ich mich von meinem Hörproblem ablenke.

Worauf wollen Sie sich in Ihrem Buch fokussieren?
Ich will die komplette Geschichte erzählen. Angefangen bei meiner Mutter, die eine faszinierende Frau war und eigentlich viel spannender als ich. Sie war eine Künstlerin in Polen, floh 1939 während des Krieges, fand ihren Weg nach Brasilien, war später Werbegrafikerin in New York. Dort traf sie meinen Vater, der Schlagzeuger war. Ihre Eltern reisten dann auch aus Polen aus, begangen aber gemeinsam Selbstmord, was bei meiner Mutter ein tiefes Trauma auslöste. Sie wurde dann der allererste Hippie in Kalifornien und hing mit den Beatniks ab. Und dann kam ich.
Huey Lewis And The News „Weather“ (BMG Rights/ Warner)